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Mehr als ein Bruderkrieg

Peter Philipp5. August 2008

Palästinenser aus dem Gazastreifen flüchten ausgerechnet nach Israel, um ihr Leben zu retten. Dies zeigt einmal mehr die grausame Entschlossenheit, mit der die Hamas gegen die Fatah vorgeht, meint Peter Philipp.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW
Peter Philipp (Quelle: DW-Archiv)
Peter Philipp

Das sich dieser Tage im Gazastreifen abspielt, sieht auf den ersten Blick aus wie der palästinensische Bruderkrieg, zweite Auflage, ein Jahr nachdem die islamistische Hamas dort im Juni 2007 die Macht übernommen hatte. Weil aber die Islamisten in Gaza die uneingeschränkte Kontrolle ausüben, kann es sich jetzt nicht mehr um einen einfachen Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Kräften - Hamas und Fatah - handeln, sondern das Chaos in Gaza reflektiert viel eher immer mehr die desolate Lage, in der die Palästinenser sich generell befinden. Und mit ihnen Israel: Es war eine Illusion, dass dieses sich mit seinem Rückzug im Herbst 2005 vom Gazastreifen lösen könnte.

Mehr Schutz als bei den palästinensischen Mitbrüdern

Auslöser der neuen Runde von Gewalt war ein Anschlag auf eine Gruppe von Hamas-Aktivisten vor einigen Tagen. Die Hintermänner sind unbekannt. Die Hamas aber macht die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verantwortlich und geht gegen dessen letzte Anhänger im Gazastreifen vor. Es gibt Tote, Verletzte, Verhaftete und Gefolterte. Und es gibt Flüchtlinge. Makaber: Sie fliehen nach Israel, wo sie sich mehr Sicherheit erhoffen als bei ihren palästinensischen Brüdern von der Hamas. Aber Israel und auch Abbas wissen nicht so recht, was sie mit diesen Leuten anfangen sollen. Einige werden zurückgeschickt, andere erst nach längerem Hin und Her in den Westbank-Ort Jericho gebracht, Verwundete liegen im israelischen Krankenhaus.

Israel könnte sein Verhalten gerade noch propagandistisch ausschlachten, viel schlimmer aber die Position von Präsident Abbas: Sein Wankelmut hat seine Autorität weiter untergraben. Nicht nur in Gaza, sondern auch in der Westbank. Politische Führung sieht anders aus. Im Nahen Osten gibt es eine Rechtfertigung für Vetternwirtschaft: Wenn ein Politiker nicht für seine Familie sorgen könne, dann werde er auch nicht für das Volk sorgen. Die Fatah ist die Familie von Abbas, und er hat die fallen lassen, die trotz aller Schwierigkeiten in Gaza zu ihm hielten. Ein fatales Signal für die Bewohner der Westbank. Sie sind nicht Hamas-orientiert, aber sie haben die Nase voll vom alten politischen Stil der Fatah. Ein Gefühl, das den Islamisten im Januar 2006 zum - legalen - Wahlsieg verhalf.

Abbas trifft nicht die alleinige Schuld

Die Ereignisse in Gaza werden solche Gefühle erneut verstärken und die Position der Fatah in der Westbank schwächen. Und es ist kaum anzunehmen, dass trotz aller Anstrengungen der Ägypter, Qatars und anderer Araber, die Kluft zwischen den rivalisierenden Gruppen in absehbarer Zeit überbrückt werden kann.

Natürlich kann Abbas nicht alleine dafür verantwortlich gemacht werden: Er bemüht sich krampfhaft, den Palästinensern zu demonstrieren, dass seine Strategie der Friedensverhandlungen mehr verspricht als die konzessionslose Haltung der Hamas. Nur: Es war Abbas nicht vergönnt, wirkliche Vorteile seiner Strategie aufzuweisen. Israel machte keine Konzessionen und die internationale Gemeinschaft brachte außer Proklamationen und Spendenzusagen wenig zustande. Die Frustration in der (Fatah-beherrschten) Westbank steigt und wie überall ist Frustration der beste Nährboden für die Radikalen.