Als die Nachricht vom Wahlsieg Donald Trumps den Sitzungsaal der Duma in Moskau erreichte, gab es dort Applaus. Die russischen Abgeordneten feierten den Triumph des amerikanischen Republikaners fast wie ihren eigenen. Der Kreml hatte sehr früh, schon vor einem Jahr, seine Sympathie für den damaligen krassen Außenseiter bekundet. Nun, am Ende des US-Wahlmarathons, sieht sich die politische Elite Russlands bestätigt: Wladimir Putin hat wieder einmal auf das richtige Pferd gesetzt.
Moskau hofft auf Ende der Sanktionen
Moskaus Vorliebe für Trump beruhte, einerseits, auf der entschiedenen Ablehnung Hillary Clintons: Die frühere US-Außenministerin wollte der Kreml auf keinen Fall im Weißen Haus sehen, denn von ihr erwartete er eine harte Gangart gegenüber Russland - sei es in der Ukraine, in Syrien oder in Menschenrechtsfragen. Andererseits freute man sich im Kreml über die Signale, die der Immobilienmogul in seinen Wahlkampfreden aussendete. Denn er sprach wiederholt vom Wunsch nach Annäherung mit Russland und ließ sogar durchblicken, er könne die Annexion der Krim akzeptieren.
Das war der springende Punkt! Wladimir Putins Hoffnung bestand und besteht darin, dass Donald Trump als eigenwilliger US-Präsident ihm für seine völkerrechtliche Sünde - die Eroberung der ukrainischen Halbinsel - internationalen Ablass gewährt und die Sanktionen gegen Russland fallen lässt. Diese Hoffnung wird verstärkt durch das Gefühl, mit solch einem autoritären Macho könne man gut ins Geschäft kommen und sogar Freundschaft schließen - man liege schließlich menschlich und weltanschaulich auf einer Wellenlänge. Donald Trump als eine Art zweiter Berlusconi, nur viel mächtiger.
Kann diese Rechnung aufgehen? Keiner weiß, wie der politische Neuling im Oval Office agieren wird, inwieweit er auf Berater hören, auf seine Republikanische Partei, auf Kongress, Senat und europäische Verbündete Rücksicht nehmen wird. Doch das in Moskauer Köpfen entstandene Konstrukt einer Partnerschaft zweier Herrscher, die sich am Verhandlungstisch auf Augenhöhe begegnen und einvernehmlich die Welt in Einflusssphären aufteilen wie auf der Konferenz von Jalta 1945, hat eine entscheidende Schwachstelle.
"Größe Amerikas" versus "Multipolare Welt"
Donald Trump wurde nämlich mit der Verheißung gewählt, die Größe Amerikas wiederherzustellen. Diese Größe setzt sich zusammen aus wirtschaftlichen Erfolgen im Innern und globalem Leadership. Ob Trump seinen Wählern im Mittleren Westen tatsachlich jene Arbeitsplätze wird bieten können, die er aus China und anderswo zurückholen will, ist fraglich. Auf jeden Fall werden strukturelle Veränderungen viel Zeit in Anspruch nehmen. Wird der erfolgssüchtige und siegesverwöhnte Aufsteiger die Geduld aufbringen, um so lange zu warten?
Denn er hat ja noch die internationale Bühne, auf der er versuchen könnte, die gefühlte Größe Amerikas durch spektakuläre Aktionen in Szene zu setzen. Und wer hat in den zurückliegenden Jahren am lautesten den globalen Führungsanspruch der USA in Zweifel gezogen? Wladimir Putin. Das von ihm vehement propagierte Konzept einer multipolaren Welt, das in seiner Lesart auf eine weltpolitische Aufwertung Russlands hinausläuft, ist mit Trumps Vorstellung von Amerika als der größten Nation auf Erden nicht kompatibel.
Das muss nicht zwangsläufig auf einen schweren Konflikt der beiden stärksten Atommächte hinauslaufen, wie viele befürchten. Aber der impulsive Trump mit seinem amerikazentrierten Chauvinismus könnte ziemlich bald in Versuchung geraten, diesen Wladimir Putin, sollte er den USA in die Quere kommen, einmal demonstrativ zurechtzustutzen. Beispielsweise in Syrien beim Kampf gegen den IS. Und dann wird der russische Wunschtraum von einer "Achse der Mächtigen" Moskau-Washington schnell ausgeträumt sein.
Die Schiefer-Revolution bedroht den russischen Haushalt
Doch selbst wenn Donald Trump, getreu seinen isolationistischen Versprechen, in der Außenpolitik eher den Rückwärtsgang einschalten sollte: Auch sein Wirtschaftsprogramm verheißt Moskau nichts Gutes. Denn es bedroht Russlands Existenzgrundlage - die Einnahmen aus dem Export von Energieträgern. Der künftige amerikanische Präsident hält nämlich herzlich wenig vom Klimaschutz und will daher wieder verstärkt auf fossile Brennstoffe setzen.
Durch das Zurückschrauben ökologischer Anforderungen oder sogar direkte staatliche Unterstützung könnte er die Förderung von Schieferöl in den USA anschieben, um Arbeitsplätze zu schaffen und vor allem um die Unabhängigkeit von Importen zu stärken. Das würde die ohnehin niedrigen Weltmarktpreise für Erdöl, unter denen Russland bereits jetzt enorm leidet, noch mehr drücken. Und eine verstärkte Förderung von Schiefergas bei gleichzeitigem Hochfahren der Verwendung von Kohle zur Elektrizitätsgewinnung würde dazu führen, das Amerika viel mehr Flüssiggas nach Europa exportieren könnte, was die Gewinne des Platzhirsches Gazprom schmelzen lassen würde.
Kurzum: Der Applaus in der Moskauer Duma scheint voreilig gewesen zu sein. Im Nachhinein wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit herausstellen, dass der Wahlsieg Donald Trumps für Putins Russland, ähnlich wie die Einnahme der Krim, ein glänzender taktischer Sieg und eine verheerende strategische Niederlage war.
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