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Schiffe versenken löst kein Problem

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
14. Mai 2015

Bereits am Montag wollen die EU-Außenminister ihre Militäraktion gegen Schleuser auf den Weg bringen. Bei der NATO-Tagung stellte die EU ihre Pläne vor. DW-Kommentator Bernd Riegert hofft, dass sie nie umgesetzt werden.

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Operation "Atalanta", Einsatz gegen Piraterie (Foto: Bundeswehr)
Ein Schiff der Bundesmarine im Hafen von Djibouti: Damals im Antipiraten-Einsatz, künftig gegen Schleuser unterwegs?Bild: Bundeswehr/FK Wolff

Die Europäische Union scheint wirklich Ernst machen zu wollen mit ihrem abenteuerlichen Plan, eine Militäraktion gegen Flüchtlingsschleuser in Libyen zu starten. Während der NATO-Tagung in Antalya erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini den teilweise erstaunten Außenministern, wie sie mit Kanonen auf Schlepper schießen lassen will. Falls die Vereinten Nationen und die rivalisierenden Regierungen in Libyen zustimmen, soll die EU schon im Juni den Aufbau einer Flottille angehen, die die Boote von Schleusern in libyschen Hoheitsgewässern versenken oder bereits an Land aufspüren und zerstören. Die ehemalige italienische Außenministerin, die jetzt die Außenpolitik der Europäischen Union verantwortet, bekommt heftigen Druck aus Rom. Italien will endlich etwas gegen die Ankunft von Bootsflüchtlingen unternehmen.

Mogherini verfolgt das Projekt zielstrebig und für europäische Verhältnisse in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Nach der schweren Flüchltingskatastrophe mit über 800 Toten im April hatten die EU-Staats- und Regierungschefs den Auftrag erteilt, eine wirksame Militäraktion im Mittelmeer zu prüfen. Dass das nun alles so schnell geht und so radikal werden soll, war eigentlich nicht die Absicht, zumindest nicht die der Bundesregierung. Die versucht jetzt hinter den Kulissen ein wenig zu bremsen. Aus gutem Grund.

Viele offene Fragen

Denn zahlreiche Fragen sind offen: Wer soll entscheiden, was ein Schleuserboot ist und was nicht? Wird man wirklich die Köpfe der Schleuserbanden fassen oder nur Handlanger? Und wie wird die rechtsstaatliche Strafverfolgung organisiert? Besteht nicht die Gefahr, dass unschuldige Menschen sterben, wenn EU-Truppen sogar an Land in Libyen angreifen? Wie schützt sich die EU vor etwaigen Gegenangriffen? Immerhin sollen die Schleuser, die Milliarden verdienen, eng mit allen möglichen schwer bewaffneten Milizen unter einer Decke stecken. Das ist kein Einsatz gegen Piraten wie vor Somalia, wo die Schiffe der Mission "Atlanta" den Gegnern haushoch überlegen sind.

DW-Korrespondent Bernd Riegert (Foto: DW)
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Und die wichtigste Frage: Löst ein Waffengang wirklich das Flüchtlingsdrama? Die Antwort ist ein klares Nein. Die Menschen, die nicht mehr übers Meer fliehen könnten, würden auf Dauer in Libyen stranden unter elenden Bedingungen. Nach einiger Zeit würden sich Migranten und Schleuser neue Wege suchen. Über die Türkei? Über Tunesien? Die Europäische Union muss vor allem ihren inneren Konflikt um die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten nach Quoten lösen. Da stehen die Auseinandersetzungen erst bevor. Einige Staaten verknüpfen die absurde Militäraktion und die Quotendiskussion miteinander: Wir stimmen Angriffen auf die Schlepper nur zu, wenn die Flüchtlinge gerechter verteilt werden. Schiffbrüchige als Geiseln im politischen Geschacher? Das ist Zynismus pur.

Menschenhändler bekämpfen, aber nicht so

Natürlich ist es richtig, dass den kriminellen Schleuserbanden das Handwerk gelegt werden muss. Aber das Geschäftsmodell fällt nicht in sich zusammen, wenn Boote versenkt werden, sondern nur dann, wenn die Einreise nach Europa legal möglich wird. Dann gibt es keine Nachfrage mehr nach Schleusung. Außerdem ist die schon so oft beschworene Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Migranten immer noch ein frommer Wunsch. Die Ursachen für Flucht bestehen fort.

Großbritannien, Ungarn, die Slowakei und weitere Staaten lehnen die Aufnahme von mehr Migranten strikt ab. Da wird es sehr schwer werden, die notwendige Wende in der Flüchtlingspolitik zu schaffen. Wenn die EU jetzt auf Kanonenboote setzt, spielt das eher den Hardlinern in die Hände. Denen wäre sowieso eine völlige Abschottung Europas nach australischem Vorbild am liebsten.

Selbst wenn die Vereinten Nationen, also auch Russland und China im Sicherheitsrat, die EU-Mission billigten, müsste immer noch die Zustimmung der libyschen Behörden eingeholt werden. Das könnte die schwierigste Klippe für die martialischen Pläne von Federica Mogherini werden. Es gibt in dem chaotischen Staat keine Regierung oder Strukturen nach westlichem Muster. Übrigens, zumindest zum Teil ist Libyen auch durch eine gut gemeinte Militäraktion der NATO im Bürgerkrieg in seinen jetzigen Zustand abgeglitten. Eine neue Militäraktion der EU wird nicht zur Stabilisierung beitragen. Wegen der schwer kalkulierbaren Folgen für Flüchtlinge und das Land Libyen sollte die EU lieber die Finger davon lassen.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union