Des Teufels General?
13. September 2007Anfang September begannen schwere Kämpfe um die Kleinstadt Sake am Fuße der Masisi-Berge in Nord-Kivu. Wäre Sake gefallen, dann wären die Rebellen des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda ungehindert in die Provinzhauptstadt Goma einmarschiert. Ohne die Hilfe der indischen Blauhelme hätten die schlecht ausgerüsteten Soldaten der Regierungsarmee das nicht verhindern können. So bleibe den Vereinten Nationen gemäß ihrem Mandat nichts anderes übrig, als sich im Ostkongo die Finger schmutzig zu machen, betont Christian Manahl, Leiter der politischen Abteilung der UN-Mission MONUC.
"MONUC hat die Regierungsstreitkräfte in ihrer Verteidigung von Sake unterstützt", führt er aus. Man werde die Streitkräfte auch weiter unterstützen, sollte es zu weiteren Angriffen von Nkundas Kräften auf die großen Bevölkerungszentren im Kivu kommen. "Abgesehen davon ist unsere Priorität natürlich der Schutz der Zivilbevölkerung."
Nur ein Bruchteil der humanitären Katastrophe
Doch die Zivilbevölkerung leidet schon jetzt, auch wenn derzeit ein informeller Waffenstillstand in Nord-Kivu herrscht und es seit dem 8. September zwischen Regierung und Rebellen keine Kampfhandlungen gegeben hat. Zehntausende Menschen mussten aus ihren Dörfern fliehen.
Jens Hesemann, Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR im Kongo, ist gerade aus der Region zurückgekehrt: "Es gibt dort das Flüchtlingscamp Mugunga, wo ruandische Flüchtlinge nach dem Völkermord in Ruanda 1994 Zuflucht gefunden haben. Heute spielen sich da ähnliche Szenen ab" Mugunga beherberge schätzungsweise 35.000 Vertriebene - Anfang August waren es 9000. Vermutlich habe sich die gesamte Bevölkerung von Sake nach Mugunga bewegt.
Die zum großen Teil behelfsmäßigen Lager sind schwer zu versorgen, außerdem mehren sich die Meldungen über Krankheiten und Vergewaltigungen. Doch die wenigen Nachrichten, die aus dem von der Armee abgeriegelten Kampfgebiet nach außen dringen, geben in den Augen von Jens Hesemann nur einen Bruchteil der humanitären Katastrophe wieder. Es gäbe noch andere Regionen, in denen es Kämpfe gab und vielleicht noch gibt, zu denen man aber keinen Zugang habe.
Der alte Konflikt zwischen Hutu und Tutsi
Beobachter im Kongo gehen davon aus, dass mit den jüngsten Auseinandersetzungen ein Krieg um die Kontrolle Nord-Kivus zwischen der Regierung und General Nkunda begonnen hat. Nkunda hatte sich 2004 von Kongos Friedensprozess losgesagt und eine eigene Rebellenbewegung gegründet. Viele seiner schätzungsweise 3000 bis 5000 Soldaten haben sich inzwischen aus den "gemischten Brigaden" gelöst, die sie seit Jahresbeginn gemeinsam mit Regierungstruppen in Nord-Kivu gebildet hatten.
Nkundas Interessen sind zumindest teilweise verständlich: Die Präsenz von Nachfolgern der Hutu-Milizen, die 1994 für den Völkermord in Ruanda verantwortlich waren, ist nach wie vor problematisch. Denn die Tutsi-Bevölkerung im Kongo fürchtet um ihre Sicherheit, und Nkunda, ebenfalls ein Tutsi, will seine Volksgruppe in der Region schützen. Der Regierungsarmee, der er früher angehörte, traut er nicht. Die MONUC hat zwar schon mehr als 10.000 dieser Hutu nach Ruanda zurückgeführt, aber immer noch befinden sich nach UN-Angaben mehr als 6000 bewaffnete Hutu-Milizen in dem Gebiet.
Unterstützung für Nkunda aus Ruanda?
Die Affäre birgt jede Menge außenpolitischen Sprengstoff. Denn auch wenn die Regierung in Kigali es bestreitet: Der Vorwurf, Ruanda unterstütze den abtrünnigen General, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Für den kongolesischen Politikwissenschaftler Philippe Biyoya ist Nkunda sogar so etwas wie ein trojanisches Pferd der ruandischen Außenpolitik, um die kongolesische Regierung im Ostkongo zu diskreditieren. "Ruanda instrumentalisiert zum ersten Mal einen Soldaten, eine militärische Größe. Es gab schon viele Rebellionen im Ostkongo, aber das hier ist definitiv etwas Neues." Bisher seien es immer Aufstände von Guerilleros gewesen. Nkunda als Soldat von Rang sei sehr gut gerüstet und operiere aus dem Landesinneren. "Was wäre er denn für ein Stratege, wenn er eine Staatsarmee angreifen würde, ohne Unterstützung von außen?"
Kabila will Frieden - egal mit welchen Mitteln
Unterdessen wächst der Druck auf die Regierung in Kinshasa, auf Laurent Nkundas Rebellion und die vermeintliche diplomatische Provokation durch den Nachbarstaat Ruanda angemessen zu antworten. Nach Ansicht von Christian Manahl, ist die neuerliche Krise im Ostkongo ein politischer Lackmustest - besonders für den Präsidenten Kabila. Dieser wurde mehrheitlich im Osten gewählt, der Westen hat für den Gegenkandidaten Bemba gestimmt. Im Osten habe man gehofft, dass Kabila den Frieden bringt. Dass der Frieden nicht gekommen sei, habe der Popularität des Präsidenten deutlich geschadet. "Es ist für ihn eine Frage der Glaubwürdigkeit, diesen Frieden herzustellen – ob mit militärischen oder politischen Mitteln, das ist letztlich seine eigene Entscheidung."
Zurzeit sieht es eher nach einer militärischen Antwort aus. Die Regierungsarmee fliegt massiv Militärverstärkungen auf den Flughafen von Goma und bereitet sich offenbar auf eine neue Großoffensive gegen Nkundas Rebellen vor. In einer Regierungserklärung des Kongo zu den Kämpfen hieß es, man ermutige die Streitkräfte "im Namen des gesamten kongolesischen Volkes, die rebellierenden Elemente bis zu ihrer Neutralisierung zu verfolgen". Für Jens Hesemann vom UN-Flüchtlingshilfswerk wäre das eindeutig keine Lösung: "Wir befürchten, dass das nicht zu mehr Stabilität führt. Eines der Hauptprobleme im Nord-Kivu ist der Minderheitenschutz, der eigentlich unter die Verantwortung der Regierung fällt."