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"Zypern bricht nicht zusammen"

Stephanos Georgakopoulos / ml26. März 2013

Nach der Einigung über einen Rettungsplan für Zypern äußern alle Seiten ihre Erleichterung. Die DW sprach mit dem Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, über die Finanzkrise und die Zukunft des Inselstaates.

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Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank (Foto: Commerzbank AG)
Bild: Commerzbank AG

DW: Mit der Einigung über Zypern scheinen alle zufrieden zu sein. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble fühlt seine Position bestätigt und Zyperns Präsident Nikos Anastasiades ist froh, das Schlimmste verhindert zu haben. Wir bewerten Sie die Einigung zur Rettung Zyperns?

Krämer: Positiv ist natürlich, dass sich Zypern mit der Staatengemeinschaft geeinigt hat. Dadurch ist der Staatsbankrott abgewendet und auch ein Zusammenbruch des zyprischen Bankensystems wurde verhindert, der dann ja zum Euro-Austritt geführt hätte.

Positiv ist meiner Meinung nach auch, dass die Besitzer von Einlagen bis 100.000 Euro ausgenommen sind von einer Steuer. Das heißt, die Glaubwürdigkeit der EU-Einlagenversicherung ist damit gewahrt. Das ist wichtig. Ich finde, es ist auch ein positives Signal dieses Gipfels, dass die Staatengemeinschaft hart geblieben ist. Alles andere hätte die Position der Reformkräfte in den Peripherieländern geschwächt, die sich ja ohnehin schon in der Defensive befinden.

Diese grundlegende Reform des Finanzsektors in Zypern entzieht dem Land eigentlich seine Lebensgrundlage. Wird also der Problemfall Zypern weiterhin die Eurozone belasten?

Der Finanzsektor in Zypern ist aufgebläht. Er wird durch die Abwicklung zweier großer Banken zurechtgestutzt. Das bedeutet natürlich, dass massiv Arbeitsplätze verloren gehen. Die zypriotische Volkswirtschaft bricht zwar nicht zusammen, wie es passiert wäre ohne eine Einigung mit der Staatengemeinschaft. Aber allein schon wegen des Abbaus der vielen Arbeitsplätze im Finanzbereich wird die Wirtschaft in den kommenden Jahren deutlich schrumpfen. Auf zwei oder drei Jahre kann das durchaus ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um insgesamt zehn Prozent sein.

Aber das hat dann deutliche soziale Auswirkungen. Haben wir es mit einem Dauerproblem Zypern zu tun?

Zypern bricht nicht zusammen, aber trotzdem steht Zypern vor wirtschaftlich und sozial sehr schwierigen Jahren. Das ist kein Problem für den Euroraum als Ganzes, dafür ist die Insel sicherlich zu klein. Aber natürlich ist es ein riesiges Problem für Zypern. Man wird sehen, ob die Insel mit dem jetzigen Hilfsprogramm auf Dauer auskommt.

Könnte ein zweites Hilfsprogramm für Zypern nötig werden?

Ich halte das momentan für eher unwahrscheinlich, weil die Zyprioten im Wesentlichen für die Rettung ihrer Banken selber aufkommen werden. Und da liegen die großen Risiken. Völlig ausgeschlossen werden kann es nicht, aber ich glaube es eher nicht. 

Das Prinzip "Hilfe gegen Reformen", das insbesondere Deutschland vertritt, scheint die Mehrheit der Menschen in den Krisenländern nicht zu akzeptieren, da sie die Leidtragenden sind. Driften da nicht der Norden und Süden Europas auseinander?

Es ist klar, dass das Prinzip in vielen Ländern des Südens nicht gern gesehen wird. Attraktiv ist es natürlich, die Hilfen zu bekommen, ohne eigene Reformanstrengungen zu unternehmen. Die politischen Spannungen, die Sie ansprechen, sind Folge der generellen Rettungspolitik. Ich habe seit Jahren gesagt: Wenn ein Land anfängt, ein anderes zu unterstützen, teilt sich die Währungsunion in Gläubiger und in Schuldner, mit den gesamten mentalen Problemen, die solch ein Verhältnis mit sich bringt.

Das hätte man vermeiden können. Das hätte aber bedeutet, dass die Krisenländer den asiatischen Weg gehen. Den Weg, den die asiatischen Tigerstaaten nach der Asienkrise 1997/98 gegangen sind. Da war kein großer Bruder da, der diesen asiatischen Ländern geholfen hat. Sie mussten die gesamten schmerzvollen Reformen kurzfristig alleine unternehmen. Sie sind durch eine sehr harte Krise gegangen, aber nach anderthalb bis zwei Jahren tauchten sie daraus wieder auf. Seitdem sind diese Länder ein Hort der Stabilität.

Die Länder im Euroraum wollten diesen Weg nicht gehen, schon gar nicht die Krisenländer selber. Sie haben nach Hilfen gerufen und haben diese bekommen. Der Preis, den man dafür zu zahlen hat, ist natürlich, dass sich das Verhältnis der Länder zueinander ändert. Das ist wie im privaten Bereich auch. Wenn aus Freunden Schuldner und Gläubiger werden, ändert sich die Qualität der Beziehung. 

In der Eurozone macht sich das Gefühl breit, die Einlagen wären nicht mehr so sicher wie früher. Dieses Gefühl ist besonders in den Krisenländern des Südens präsent. Wie kann man dem entgegensteuern?

Ich denke, dass die Besitzer von Bankeinlagen in anderen europäischen Ländern aus mehreren Gründen ruhig bleiben werden. Erstens sehen sie, dass Zypern mit seinem völlig überdimensionierten Bankensektor und seinen laschen Geldwäscheregeln natürlich ein Sonderfall ist. Das gilt nicht für Italien, Spanien, Portugal etc.

Der zweite Grund ist, dass die Europäische Zentralbank im Hintergrund bereit steht mit ihren ELA-Nothilfekrediten. Wir haben in der Irlandkrise gesehen, dass diese ELA-Notfallkredite der EZB ein sehr scharfes Schwert sind, um auch mit sehr großen Kapitalabflüssen fertig zu werden. Drittens ist es ein wichtiges Signal für die Bürger in den anderen Krisenländern, dass das Versprechen der Einlagensicherung bis 100.000 Euro gehalten wurde.

Jörg Krämer ist promovierter Volkswirt und arbeitet seit 2006 als Chefvolkswirt für die Commerzbank. Zuvor war er unter anderem für die Investmentbank Merrill Lynch sowie die Bayerische Hypo- und Vereinsbank tätig.