Kurdenpartei bekommt immer mehr Druck
30. Juli 2015Die türkische Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Ermittlungen gegen den Chef der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtas, eingeleitet. Ihm werde vorgeworfen, Bevölkerungsteile zur Bewaffnung provoziert und gegeneinander aufgewiegelt zu haben, berichtete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu. Sollte es zur Anklage kommen, drohten Demirtas 24 Jahre Haft. Das Verfahren gegen Demirtas sei in der überwiegend von Kurden bewohnten Provinz Diyarbakir eingeleitet worden.
Hintergrund der Ermittlungen seien die Proteste zum Schutz der von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bedrängten syrisch-kurdischen Stadt Kobane im vergangenen Oktober im Südosten der Türkei, heißt es weiter. Mehr als 40 Menschen starben damals beim Zusammenstoß rivalisierender Gruppen. Kurdische Kämpfer befreiten Kobane im Januar aus den Händen des IS.
Rufe nach Verbot der HDP
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft Demirtas vor, er unterhalte Kontakte zu militanten Kurden. Bereits am Dienstag hatte Erdogan erklärt, es könne seiner Ansicht nach gegen einzelne Parteimitglieder der HDP vorgegangen werden, die Verbindungen zu Extremisten hätten. Die HDP unterhält tatsächlich enge Verbindungen zu der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Erdogan forderte auch die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Demirtas und anderen führenden Parteifunktionären. Türkische Nationalisten verlangen zudem ein Verbot der HDP - in den vergangenen Jahrzehnten hatte die Türkei bereits mehrere Kurdenparteien wegen Nähe zur PKK aufgelöst.
Das Vorgehen Erdogans gegen die HDP hat aber noch einen anderen Grund: Denn die Kurdenpartei überwand bei den Wahlen am 7. Juni erstmals die Zehn-Prozent-Hürde und zog mit 80 Abgeordneten ins türkische Parlament ein. Ihr Wahlerfolg kostete die regierende islamisch-konservative AKP die absolute Mehrheit.
Sechs Tote bei Attacken und Anschlägen
Die türkische Luftwaffe flog am Donnerstag neue Angriffe auf Stellungen der PKK im Nordirak. Bei Gefechten und einem Anschlag in der Türkei wurden sechs Menschen getötet - darunter drei Soldaten. Das Vorgehen Ankaras gegen die Kurden, deren Kämpfer den IS in Syrien zurückzudrängen versuchen und somit Verbündete der USA sind, ist international höchst umstritten.
sti/djo (afp, dpa)