Kämpfer für den Datenschutz
17. Dezember 2013Es sind keine einfachen Zeiten für einen, der Persönlichkeitsrechte verteidigen soll: Seit den Terroranschlägen in den USA im Jahr 2001 haben die Behörden auf weit mehr Daten der Bürger Zugriff als vorher - Sicherheit geht vor, ist das gängige Argument von Law-and-order-Politikern. Peter Schaar fand einiges an der deutschen Innen- und Sicherheitspolitik nicht gut und trug seine Vorbehalte deutlich vernehmbar vor: Etwa gegen den flächendeckenden Ausbau der Videoüberwachung, die Anti-Terror-Datei, die heimliche Online-Durchsuchung von Computern oder das Swift-Abkommen, das den USA Zugriff auf europäische Finanzdaten einräumt. Ziel all dieser Vorhaben: Mehr Informationen über die Bürger zu bekommen, sie zusammenzuführen und zu speichern. Um die Bürger besser zu schützen, sagten die Regierenden. Oder um sie zu überwachen?, fragte Schaar.
Dem studierten Volkswirt Schaar ist Datenschutz seit Jahrzehnten ein Anliegen. In den 1980er Jahren arbeitete er im Büro des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. 1987 sorgte die geplante Volkszählung für Aufregung. Viele Menschen protestierten gegen die umfassende Erhebung persönlicher Daten. Heutzutage werden dieselben Daten in einem Maß ausgespäht, wie es seinerzeit nicht vorstellbar war. International tätige Firmen wie Google oder Facebook speichern sie millionenfach, verkaufen sie mitunter, reichen sie mutmaßlich auch an Geheimdienste weiter.
Selbstkritisch und offen
Der technikaffine Peter Schaar habe früh erkannt, wie gefährlich das Internet für die Privatsphäre werden könne, sagt der Berliner Grünen-Politiker Jürgen Roth. Er kennt Schaar - ebenfalls Mitglied der Grünen - seit über 20 Jahren und arbeitet als Referent beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) - die offizielle Bezeichnung des Bundesdatenschützers. Diese Weitsicht sei eine von Schaars größten Stärken, urteilt Roth. Eine weitere sei seine Offenheit gegenüber anderen Meinungen: "Beratungsresistenz ist ihm absolut fremd." Schaar sei selbstkritisch und lasse mit sich reden, auch wenn er sich scheinbar festgelegt habe.
Als meinungsstark hat die Öffentlichkeit ihn durchaus wahrgenommen. Konfrontationen gab es einige, unter anderem mit dem Innenminister der alten, schwarz-gelben Koalition, Hans-Peter Friedrich (CSU): In der NSA-Affäre etwa tadelte Schaar Friedrich für dessen fehlende Kritik an den USA. Dass der 59-jährige Schaar nach zehn Jahren Amtszeit geht, war von vornherein klar, denn eine nochmalige Verlängerung war nicht möglich. Möglich wäre aber gewesen, dass er über den 17. Dezember hinaus bleibt, bis das Amt wieder besetzt ist. Laut Medienberichten soll die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Andrea Voßhoff seine Nachfolgerin werden. Gegen eine solche Übergangsregelung soll angeblich der konservative Innenminister opponiert haben.
"Er ist nicht gerade harmoniesüchtig, aber auch kein Streithansel", so Roth über Schaar. "Er bricht keine Scheinauseinandersetzungen vom Zaun, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn er die Regierung kritisiert, basiert das immer auf sorgfältiger Recherche und Vorarbeit."
Mehr Licht als Schatten
Schaars eigene Bilanz seiner Zeit als Datenschützer fällt zurückhaltend positiv aus. Er glaube, dass "das Thema Datenschutz in der Öffentlichkeit stärker verankert ist als noch vor zehn Jahren". Zudem habe es "viele kleine Erfolge" gegeben, die Datenerfassung und Überwachung begrenzt, wenngleich nicht verhindert hätten, zitiert ihn "Zeit Online".
Unter den Datenschützern gibt es viele, die Schaars Arbeit schätzen. Die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit überreichte ihm jüngst einen Preis für seine Arbeit. Auch "padeluun", eines der Vorstandsmitglieder des Vereins Digitalcourage, findet lobende Worte. Der Bielefelder Künstler und Netzaktivist tritt öffentlich nur unter Pseudonym auf. An Schaar schätzt er, dass er sich nicht, wie andere vor ihm, vor allem um Bürokratie und juristische Fragen gekümmert, sondern das Thema in eine breite Öffentlichkeit gebracht habe. Schon zu Beginn seiner Amtszeit sei er positiv aufgefallen mit seinen mahnenden Worten zum Thema RFID-Chips. RFID-Chips stecken zum Beispiel in manchen Kundenkarten oder sind in Kleidung eingenäht. Die Daten auf ihnen können ausgelesen werden, ohne dass der Träger der Karte oder der Kleidung das merkt. Auch während des NSA-Skandals habe Schaar gute Arbeit geleistet, zum Beispiel indem er der Bundesregierung unbequeme Fragen gestellt habe, betont "padeluun".
Dafür kritisiert er andere Vorstöße, wie den "Quick Freeze Plus"-Vorschlag bei der Vorratsdatenspeicherung. Er hätte sich gewünscht, dass sich Schaar entschiedener gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hätte. "Da stand er mit einem Bein auf der Seite des Überwachungsstaates." Von einem Nachfolger Schaars wünscht sich "padeluun" mehr konkrete Gesetzesvorschläge.
Schaars Engagement für den Datenschutz endet nach dem 17. Dezember nicht. Seit September ist er Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) in Berlin. Die erste EAID-Veranstaltung im kommenden Jahr befasst sich mit Internetüberwachung und trägt den Titel: "Wie sicher sind unsere Daten? Wie können wir uns schützen?"