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Wie Fremde zu Heimat werden kann

Laura Döing
23. Mai 2019

Sie sind Krieg und Gewalt entkommen. Doch was kommt dann? Ein multimediales DW-Special zeigt, wie sich Künstler, die fliehen mussten, ein neues Leben aufgebaut haben - in einer ihnen zunächst fremden Sprache und Kultur.

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Bildkombi Bildkombo Nach der Flucht

Aeham Ahmad - Pianist aus Syrien

Er hat überlebt, ist dem IS, dem Hunger, den Bomben des syrischen Bürgerkrieges entkommen. Doch wenn Aeham Ahmad an seinem Klavier auf der Bühne sitzt, schwingen auch Melancholie und Verzweiflung mit. "Warum bin gerade ich noch am Leben?", fragt er sich oft.

Als "Pianist aus den Trümmern" wurde Aeham Ahmad weltweit berühmt. Er hat sein Klavier hinaus auf die Straßen von Jarmuk geschoben, während auf den Häusern rings herum Scharfschützen lauerten und jederzeit Granaten explodieren konnten.

Aeham Ahmad spielt Klavier auf der Straße von Jarmuk (Foto: Niraz Saied)
Aeham Ahmad lebt seit 2015 in DeutschlandBild: Niraz Saied

Er spielte und sang, um den Menschen Trost zu spenden. Videos davon gingen über YouTube rasend schnell um die Welt. Als der IS sein Klavier verbrannte und er um die Sicherheit seiner Familie fürchtete, flüchtete Aeham Ahmad. Er überlebte die Flucht über das Mittelmeer und kam 2015 schließlich nach Deutschland. 

Wie es ihm gelang, hier Fuß zu fassen und im Scheinwerferlicht zu stehen, während Familie und Freunde in Syrien um ihr Leben fürchten, zeigt die DW in einem multimedialen Special und in einer TV-Dokumentation.

Saša Stanišić - Schriftsteller aus Bosnien

Sasa Stanisic (Foto: picture-alliance/dpa/A. Burgi)
Saša Stanišić floh 1992 vor dem Krieg in BosnienBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Auch Saša Stanišić musste fliehen, als in seiner bosnischer Heimat 1992 der Krieg tobte. Bei seiner Ankunft in Deutschland kannte der damals 14-Jährige quasi nur zwei deutsche Worte: "Lothar Matthäus". Mittlerweile ist Saša Stanišić ein renommierter Schriftsteller und schreibt auf Deutsch. Für sein Buch "Vor dem Fest" bekam er 2014 den Preis der Leipziger Buchmesse. Seine Eltern mussten Deutschland verlassen, als der Bosnienkrieg beendet war. Sie wanderten nach Florida aus, Stanišić selbst durfte als Student in Deutschland bleiben. Eltern und Kind durch Flucht getrennt - das ist ein Schicksal, das auch der chilenische Schriftsteller Antonio Skármeta kennt.

Antonio Skármeta - Autor aus Chile

Als Augusto Pinochet sich 1973 in Chile an die Macht putschte und Anhänger des demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende verfolgen und im Nationalstadion foltern und ermorden ließ, wurde es gefährlich für Antonio Skármeta. Weil er seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte, ging er ins Exil nach West-Berlin. Als Schriftsteller musste er sein Schreiben vollkommen umstellen: Anspielungen auf chilenische Orte, Wortspiele mit südamerikanischen Fußballspielern - all das funktionierte nicht mehr. Das Leben im Exil wurde zu einem seiner literarischen Lebensthemen.

Schriftsteller Antonio Skármeta  (Foto: DW/Walter Ramirez)
Antonio Skármeta floh während der Diktatur Augusto Pinochets nach BerlinBild: DW/Walter Ramirez

In seinem Bestseller "Nixpassiert" schildert er auch die Erfahrungen seiner Söhne: Sie waren hin- und hergerissen zwischen der alten Welt, der Heimat ihrer Eltern, und der neuen, die mit ganz anderen Reizen lockte und sie weiter von ihren Wurzeln entfernte. Als die Diktatur in Chile endete, ging Skármeta 1989 zurück. Seine Söhne blieben allerdings in Berlin. Für sie ist Deutschland zur neuen Heimat geworden.

Judith Kerr - Illustratorin und Autorin aus Deutschland

Schriftstellerin Judith Kerr 2017 in ihrem Haus in London (Foto: DW/Frederick Rotkopf)
Judith Kerr lebte seit 1940 in GroßbritannienBild: DW

An den Moment, in dem ihr endgültig klar wurde, wo sie hin gehört, konnte sich Judith Kerr gut erinnern: Als Hitlers Truppen im Blitzkrieg 1940 beginnen, Bomben über London abzuwerfen, beschließt Judith Kerr, dass sie Britin ist.

Dabei wurde Kerr in Deutschland geboren: als Tochter des berühmten Theaterkritikers und Hitler-Gegners Alfred Kerr. Sie wuchs behütet in Berlin-Grunewald auf. Als Judith Kerr neun Jahre alt war, floh die jüdische Familie Kerr vor den Nazis - einen Tag vor der Machtergreifung Hitlers. In den wenigen Koffern, die die Kerrs mitnehmen konnten, befanden sich auch Kinder-Zeichnungen von Judith Kerr. Später wird sie mit ihren Illustrationen berühmt werden: Was die Flucht mit ihr und ihrer Familie machte, schilderte sie in der autobiografisch geprägten Roman-Trilogie, die mit "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl", beginnt. Noch heute lesen viele deutsche Kinder das Buch im Unterricht.

Im Mai 2019 ist die berühmte Kinderbuchautorin und Illustratorin im Alter von 95 Jahren gestorben.

Nneka Egbuna - Musikerin aus Nigeria

Hamburg: Die nigerianische Sängerin Nneka auf der Bühne
Nneka Egbuna floh aus Nigeria nach HamburgBild: DW/A. Steffes

Judith Kerr ist mittlerweile 94 Jahre und lebt noch immer in London. Sie hat sich fest in Großbritannien verwurzelt. Nneka Egbuna hingegen fühlt sich nirgends heimisch. Als Teenager ist die Deutsch-Nigerianerin aus Nigeria geflohen - vor der Gewalt in ihrer Familie. In Hamburg fand sie schließlich zur Musik. Mit "Heartbeat" landete sie 2008 ihren ersten großen Hit. Für Nneka Egbuna ist ihr Leben eine Reise. Ihre Koffer sind stets gepackt. Wenn sie nicht gerade durch die Welt tourt, um Konzerte zu spielen, lebt sie abwechselnd in Lagos, Hamburg oder Paris. Heimat ist für sie ein Gefühl.

Heinrich Heine - Dichter und Journalist aus Deutschland

Die Zahl der Menschen, die fliehen, war laut UNO-Flüchtlingshilfe noch nie so hoch wie heute. Flucht ist aber kein neues Phänomen: Im Jahr 1831 flüchtete der deutsche Dichter Heinrich Heine vor Zensur und Anfeindungen nach Frankreich.

Gemälde Heinrich Heine von Oppenheim  (Foto: picture-alliance/dpa/akg-images)
Heinrich Heine floh 1831 nach FrankreichBild: picture-alliance/dpa/akg-images

Seine Heimatsehnsucht hat er in universell berührende Worte gefasst: "Nur wer im Exil gelebt hat, weiß auch, was Vaterlandsliebe ist." Weil er per Haftbefehl gesucht wurde, konnte Deutschland nie wieder seine Heimat werden. Er starb 1856 in Paris.

Die Flucht hat manche Künstlerinnen und Künstler in eine neue Heimat geführt, andere zurück in die alte. Sie alle haben ihre Erfahrungen künstlerisch verarbeitet - in ihren Büchern, Filmen und in ihrer Musik. Dabei haben sie nicht nur sich selbst verändert, sondern auch die Länder, in die sie gekommen sind.

 

Wenn Sie auch hören möchten, wie sehnsüchtig Heinrich Heine von seiner Heimat schwärmt oder wie es klingt, wenn Aeham Ahmad seine Heimatstadt Jarmuk am Klavier besingt, klicken Sie hier:

Unser Online-Special "Nach der Flucht".

 

Hier finden Sie die TV-Dokumentation "Nach der Flucht" bei YouTube.

 

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