Lebenslang wegen Mordversuchs an Erdogan
4. Oktober 2017Gleich vier Mal lebenslange Haft - für jeden Beschuldigten. So lautet das Urteil des Gerichts im westtürkischen Mugla gegen 34 Angehörige einer Militäreinheit. Die Angeklagten wurden wegen versuchten Mordes an Staatchef Recep Tayyip Erdogan schuldig gesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Soldaten in der Putschnacht vom 15. Juli 2016 das Luxushotel in Marmaris an der Ägäis angegriffen hatten, in dem Erdogan mit seiner Familie Urlaub machte. Bei ihrem Angriff töten die Putschisten zwei Polizisten.
Zweifel an Erdogans Angaben zur Putschnacht
Gegen Erdogans ehemaligen Adjutanten verhängte das Gericht eine 18 Jahre lange Haftstrafe. Eine weitere Person wurde freigesprochen, berichtete der Sender NTV. Erdogan hatte angegeben, in Marmaris nur um Minuten dem Tod oder der Gefangennahme durch die Putschisten entgangen zu sein. Allerdings gibt es Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage, da die Putschisten das Hotel erst stürmten, als Erdogan es längst verlassen hatte.
Das Militär-Kommando traf nach offiziellen Angaben erst um 03.20 Uhr in dem Hotel ein. Zu diesem Zeitpunkt war der türkische Staatchef längst im Flugzeug auf dem Weg nach Istanbul. Als ein Helikopter das Hotel um 04.40 Uhr unter Beschuss nahm, war der Präsident bereits seit einer Stunde in Istanbul gelandet. Warum das Militärkommando das Hotel trotzdem attackierte, gehört zu den bislang ungeklärten Fragen der Putschnacht.
Putschisten beklagen unfaires Gerichtsverfahren
Einige der Verurteilten kritisierten, sie hätten keinen fairen Prozess erhalten, weil das Gericht unter politischem Druck gestanden habe. "Seit meiner Festnahme am 16. Juli auf dem Luftwaffenstützpunkt wurde ich wie ein Verbrecher behandelt", sagte ein früherer Leutnant. Nach dem Putsch veröffentlichte Bilder zeigten einige mutmaßliche Teilnehmer, darunter ranghohe Offiziere, in Unterhosen, mit gefesselten Händen und Blutergüssen im Gesicht.
Prozess gegen Gülen abgetrennt
Bei ihrem Versuch, die Macht in der Türkei an sich zu reißen, hatten die Putschisten 249 Menschen getötet. Erdogan macht seinen Intimfeind, den in den USA lebenden islamistischen Prediger Fethullah Gülen, für den Umsturzversuch verantwortlich. Dieser bestreitet, in den Militär-Aufstand involviert zu sein. Ein Verfahren gegen Gülen selbst wurde laut NTV von dem Hauptverfahren in Mugla abgetrennt. Seit dem Putschversuch wurden in der Türkei zehntausende mutmaßliche Gülen-Anhänger inhaftiert oder aus dem Staatsdienst entlassen. Derzeit läuft eine ganze Reihe von Prozessen gegen mutmaßliche Putschbeteiligte. In dem meisten Verfahren stehen die Urteile noch aus.
cw/fab (dpa, afp, rtr)