Lesothos lukrativer Wasserhandel schadet der Landbevölkerung
16. Juni 2024Das kleine Königreich Lesotho liegt in den Maloti-Bergen, deren höchster Gipfel über 3400 Meter in den Himmel ragt - der höchste Punkt in Afrika südlich des Kilimandscharo. Der Berglage hat das sonst arme Land einen reichen Schatz zu verdanken: Wasser. Hier entspringen viele Flüsse.
In riesigen Dämmen wird das Wasser aufgestaut - und der Handel mit dem "blauen Gold" floriert: Seit mehr als zwei Jahrzehnten exportiert Lesotho bereits Wasser ins Nachbarland Südafrika - das Lesotho vollständig umschließt - und versorgt den wichtigen Wirtschaftsraum rund um Johannesburg mit dem wertvollen Gut.
Lukrativer Wasserhandel - doch die Bauern profitieren nicht
Eine Reihe von Dämmen, Stauseen und Wasserleitungen wurden über die Jahre am Senqu-Fluss und seinen Zubringern errichtet. Von dort wird das Wasser südlich von Johannesburg in den rund 400 Kilometer entfernten Vaal geleitet. Der wasserreiche Senqu fließt als Oranje weiter durch Südafrika und Namibia bis in den Atlantik. Die Katse- und Mohale-Talsperren sind bereits 1998 und 2003 gebaut worden - als erste Phase des "Lesotho Highlands Water Project". In der zweiten Bauphase soll jetzt der Polihali Damm entstehen, um die Wasserzufuhr nach Südafrika und die Stromerzeugung zu verdoppeln.
Der Handel mit Wasser ist angesichts des steigenden Wasserbedarfes und der zunehmenden Trockenheit in Südafrika ein lukratives Geschäft, sagt Lepeli Moeketsi. Er ist Anwalt und arbeitet für das Seinoli Legal Centre, eine Nichtregierungsorganisation in Lesothos Hauptstadt Maseru. Doch der Wasserhandel bringe "vielen Menschen in Lesotho keinen Vorteil", kritisiert Moeketsi im DW-Gespräch. Ihre Rechte würden bis heute ignoriert und es gebe kaum Informationen über mögliche Pläne für Entschädigungen.
In den Dörfern leben die Menschen von Viehzucht und Landwirtschaft. Dort hat der Klimawandel sogar im wasserreichen Lesotho bereits deutliche Spuren hinterlassen: Anhaltende Dürren lassen die Ernten schlecht ausfallen. Hinzu kommt: "Die Dorfbewohner haben ihr produktivstes Ackerland durch Umsiedlungen verloren", sagt Moeketsi. Nun hätten sie keinen Zugang zu sauberem Wasser. Und sie stünden sie vor der Herausforderung, wie sie den Verlust von Lebensgrundlagen, Zerstörung der Umwelt oder die Beschädigung ihrer Häuser kompensieren. Und das alles "ohne eine angemessene Entschädigung".
Royaltys für Lesotho
Moeketsi erkennt aber an, dass das Projekt einen beidseitigen Nutzen habe. Der Bau von Staudämmen in Lesotho habe sich als wichtiger Beschleuniger für das Wirtschaftswachstum erwiesen. Lesotho ist in hohem Maße von den bislang rund 180 Millionen Euro Nutzungsgebühren abhängig, die Südafrika jährlich für das Wasser zahlt. Laut Mohlomi Moleko, Minister für natürliche Ressourcen in Lesotho, ist diese Summe im Mai dieses Jahres verdoppelt worden.
Südafrika ist von den Wasserlieferungen abhängig, denn die Vorkommen sind im Süden des Kontinents ungleich verteilt. Das kleine Lesotho ist reich an Wasser, das großflächige Südafrika hat nicht genug für die steigende Nachfrage. 1986 schloss die Apartheid-Regierung Südafrikas das Abkommen, auf dessen Grundlage dann das Wasser aufgestaut wurde: Lesotho erhält Royaltys von Südafrika für die Nutzung von Wasser und dazu Strom.
Keine Entschädigungen gezahlt
Doch das Vorgehen der zuständigen Behörde Lesotho Highlands Development Authority (LHDA) lasse zu wünschen übrig, kritisiert Lepeli Moeketsi: Sie informiere die betroffenen Gemeinden nicht über anstehende Maßnahmen. "Sie haben für das Gemeindeland noch keine Entschädigung gezahlt, verschieben das auf das Jahr der geplanten Fertigstellung 2028", sagt der Anwalt und fügt hinzu, auch dann sei wohl kein Geld zu erwarten.
Nicht alle Bewohner hätten Ausgleichsflächen erhalten. Unterdessen sorge die Luftverschmutzung und Lärmbelästigung durch die Baustelle bei den Anwohnern für ernsthafte Gesundheitsprobleme. Das habe die Behörde vernachlässigt. "Der Regierung mangelt es zweifellos am politischen Willen, die ordnungsgemäße Durchführung dieses Projekts im Einklang mit internationalen Standards zu gewährleisten", so Moeketsi.
Er fordert eine Überarbeitung des 38 Jahre alten Abkommens und Anerkennung der sozialwirtschaftlichen und kulturellen Rechte für die Dorfbewohner, anstatt nur auf diese Projekte als Mittel zum Wirtschaftswachstum zu schauen. Eine Klage vor Gericht wird vorbereitet.
Wasser für Botswana
Derweil ist ein weiteres Großprojekt in Planung: das Lesotho-Botswana Water Transfer Project. Aus einer neuen Talsperre im Westen Lesothos soll Wasser über eine 700 Kilometer lange Leitung durch Südafrika bis ins trockene Botswana gepumpt werden, weil dort schon 2025 die Versorgung gefährdet sein könnte. 150 Millionen Kubikmeter Wasser sollen pro Jahr nach Botswana fließen. Die Machbarkeitsstudie im Gebiet von Malealea wurde Ende 2023 abgeschlossen, der geplante Staudamm am Makhaleng-Fluss soll durch Wasserkraft Strom in Lesotho erzeugen.
Alle drei beteiligten Länder - Lesotho, Südafrika und Botswana - würden davon profitieren, heißt es von der grenzüberschreitenden Kommission, der Orange-Senqu River Commission (Orasecom). Namibia, selbst Anrainerstaat des Oranje, wird als Beobachter und Vertragspartner hinzugezogen, braucht derzeit aber kein Wasser. Internationale Organisationen wie die Weltbank unterstützen das Vorhaben, das 2017 unterzeichnet wurde, als Vorbild regionaler Kooperation.
Wasserprojekt – ein Erfolgsmodell
Das Institute for Hydrological Education im niederländischen Delft, eine UNESCO-Einrichtung, koordiniert weltweit Bildung und Ausbildung zu Themen rund um Wasser und Wasserversorgung. Susanne Schmeier leitet dort die Abteilung Water Governance. Auch sie unterstreicht die schwierige Situation für die Dorfbewohner nahe der Wasserprojekte.
Inwieweit die Gewinne aus dem Wasserhandel gerecht im Land verteilt würden, sei fraglich: "Das hängt von den Regierungen in den Ländern ab. Da besteht Verbesserungsbedarf in Lesotho, die benachteiligten Gruppen, die Land- und Stadtbevölkerung gleichberechtigt am Gewinn teilhaben zu lassen", sagt Schmeier im DW-Interview. So seien viele Dörfer noch nicht an das Stromnetz und die Wasserversorgung angeschlossen, es herrsche Trinkwassermangel und Korruption.
Und dennoch: Für Lesothos Wirtschaft sei die Kooperation mit den Nachbarn ein starker Einkommenszweig. Dazu kämen mehr Infrastruktur und Jobs, "Die praktische Umsetzung dieses Abkommens von ungleich verteiltem Wasser ist ein außergewöhnlicher Ansatz", betont Schmeier im DW-Interview. "Im Vergleich zu vielen grenzüberschreitenden Wasser-Einzugsgebieten weltweit kann man das Oranje-Becken im südlichen Afrika durchaus als Erfolgsmodell sehen."
Interessant sei, dass die Anrainer dort nicht in erster Linie Wasser teilen, sondern den Nutzen, den sie aus Wasser generieren. Also Zugang zu Wasser und Wasserkraft in Form von Elektrizität. Dieser Mechanismus sei selten und habe sowohl für Südafrika als auch für Lesotho Vorteile gebracht, sagt die Expertin. Die Kooperation sei über die Jahre eingeübt worden. Das beste Beispiel: Die Dürre 2015, die Botswana stark betroffen hatte. Daraufhin beschlossen alle vier Mitgliedsländer des Abkommens, das bestehende System nach Botswana auszubauen.
"Anstatt sich in einen Konflikt zu verwickeln, in dem die Länder über Wasser oder Verteilung streiten, sind sie das Problem gemeinsam angegangen."