Berliner Hotels kämpfen ums Überleben
23. Februar 2021Rollende Koffer, klingelnde Smartphones, dazwischen die Stimmen der ein- und ausgehenden Gäste – so sähe es im Novotel Berlin Am Tiergarten in diesen Tagen wohl aus, wenn es Corona nicht gäbe. Jetzt im Lockdown steht das 274-Betten-Hotel so gut wie leer. Die großzügige Lobby mit dem hellen Marmorfußboden ist menschenverlassen, nur an der meterlangen Rezeption sieht man einsam eine Mitarbeiterin sitzen. Wegen der geltenden Hygieneauflagen natürlich hinter einer Plexiglasscheibe.
"Das war am Anfang schon sehr, sehr seltsam, dass es hier jetzt plötzlich so ruhig ist", sagt Sebastian Loelf, der stellvertretende Direktor des Hotels. Sonst war das Haus nämlich auch im Winter recht gut belegt, erzählt er. Die meisten Gäste kamen aus dem Business-Bereich – besuchten Messen oder trafen sich zu beruflichen Meetings. Zwar können Geschäftsleute auch jetzt in dem Hotel übernachten. Viele sind es jedoch nicht, die während der Pandemie beruflich unterwegs sind.
Hotels haben dramatische Umsatzverluste
Um wieviel Prozent die Auslastung des Hotels in der Coronakrise zurückgegangen ist, will Loelf nicht genauer beziffern.Im Großen und Ganzen sehe es aber ähnlich aus wie überall in Berlin. Mit anderen Worten: ziemlich bescheiden. Laut dem Hotel- und Gaststättenverband hat die Branche massiv gelitten. So sank der Umsatz pro verfügbarem Zimmer – eine wichtige Größe in der Hotellerie – seit Beginn der Pandemie im vergangenen März bis Jahresende um fast 80 Prozent.
Um ein paar zusätzliche Einnahmen zu generieren, bieten einige Häuser "Home Office im Hotel" an – auch das Novotel Berlin Am Tiergarten macht das. Berufstätige können dann zu einem reduzierten Preis ein Zimmer zum Arbeiten mieten. Etwa, wenn sie daheim keine Ruhe finden, weil die Kinder gleichzeitig im Homeschooling lernen. Und wie viele Homeoffice-Gäste kommen da so? Konkrete Zahlen nennt Vize-Direktor Sebastian Loelf nicht, betont aber: "Das Angebot wird gut angenommen."
Suche nach neuen Einnahmequellen
Das Hotel Oderberger im Stadtteil Prenzlauer Berg hat sein Homeoffice-Angebot inzwischen wieder gestrichen. Im ersten Lockdown habe man einzelne Zimmer noch zum Arbeiten vermietet, erzählt Reservierungsmanagerin Tini Diekmann – dann aber schnell festgestellt, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht wirklich aufgeht. Ebenso wenig bei den wenigen Geschäftsreisenden, die kamen. Seit die Hotels Anfang November wieder zumachen mussten, ist das Boutique-Hotel daher komplett geschlossen.
Tini Diekmann ist trotzdem jeden Tag hier, denn auch wenn das Haus leer ist, gibt es jede Menge zu tun. "Wir nutzen die Zeit für Digitalisierung und Diversifizierung." Ein cloudbasiertes Reservierungssystem, die Ausweitung der Buchungsmöglichkeiten für Gäste – all das zählt dazu. Außerdem werde derzeit ein Voucher-Tool für das Hotel geschaffen. Gäste können damit Gutscheine für die Zeit nach dem Lockdown erwerben – für Übernachtungen oder auch Aufenthalte im historischen Schwimmbad des Hauses.
Langes Warten auf Hilfsgelder
Das denkmalgeschützte Gebäude von 1902 war einst eine Badeanstalt – seit fünf Jahren beherbergt es das Oderberger Hotel. Das Hotel im dem restaurierten Stadtbad habe schon vor der Pandemie viele Gäste angezogen – und wird es danach auch wieder tun, davon ist Diekmann fest überzeugt. "Wir müssen uns da jetzt durchkämpfen, aber wir werden wieder auf die Beine kommen." Solange kein Badebetrieb stattfindet, wird das alte Bad öfter auch mal für Fotoshootings gebucht. Auch das bringt ein bisschen Geld.
Die Hilfen, die der Staat für die Branche angekündigt hat, lassen dagegen teils lang auf sich warten. Laut einer aktuellen Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbandes haben erst etwas mehr als 60 Prozent der Betriebe die Novemberhilfen und noch nicht einmal 25 Prozent die Dezemberhilfen erhalten. Ein Viertel der Betriebe denkt dem Verband zufolge bereits über eine Insolvenz nach. Die Not ist groß und das Warten macht mürbe. Auch das Oderberger hat von den versprochenen Hilfen erst Abschläge bekommen.
Keine Öffnungsperspektive in Sicht
Das Sunflower Hostel im Stadtteil Friedrichshain hatte da mehr Glück – das November-Geld ist bereits da. Was trotzdem nicht heißt, dass hier Entspannung herrscht. "Wir gehen langsam auf dem Zahnfleisch", sagt Geschäftsführer Robert Sievers. Vor 20 Jahren haben er und einige Partner das 180-Betten-Haus aufgebaut. Es liegt am Rande der Partymeile Warschauer Straße und – ein großer Pluspunkt – in Laufweite zu Berlins legendärstem Club, dem Berghain. Keine Frage, dass das Hostel beliebt war.
Wie im Novotel Berlin am Tiergarten und im Oderberger Hotel ist auch hier der größte Teil der Mitarbeiter in Kurzarbeit. Der Betrieb geht allerdings weiter – nicht mit jungen Reisenden wie früher, sondern mit Langzeitgästen. Menschen, die auf Wohnungssuche sind, einen Wasserrohrbruch haben oder aus anderen nicht-touristischen Gründen vorübergehend eine Bleibe brauchen. Am meisten nervt Sievers momentan die unklare Perspektive – dass der Lockdown kein Ende mehr zu nehmen scheint.
Lust auf Berlin-Trip wird wieder kommen
Wenn Reisen wieder möglich ist, werden die Touristen schnell wieder kommen, meint Sievers aber. Ein größeres Fragezeichen steht indes hinter der Zukunft der Geschäftsreisen, denn Digitalkonferenzen haben sich längst als Alternative etabliert. Sebastian Loelf vom Novotel Berlin Am Tiergarten ist das durchaus bewusst, man arbeite auch schon an neuen Konzepten. Städtetrips werden aber sicher auch in der Zukunft weiter gefragt sein, denkt er. Dass die Menschen nach der Krise wieder Lust auf die quirlige Großstadt Berlin haben werden, erwartet auch Tini Diekmann vom Hotel Oderberger. "Die Leute sind dann einfach genug spazieren gegangen."