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Luftfahrtkrise: Start für Klimaschutz?

6. Mai 2020

Die Flugbranche setzte bisher auf Expansion, dann kam der Einbruch durch Corona. Staatshilfen für Fluglinien sollten Wirtschaft und Klima gleichzeitig helfen, fordern Experten und das auch für die Lufthansa.

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Coronavirus - Flughafen Frankfurt am Main. Flugzeuge bleiben am Boden. Ein Triebwerk ist eingepackt.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Fliegen ist besonders klimaschädlich und in den fünf Jahren vor der Coronakrise wuchs der globale Luftverkehr jährlich zwischen 1,4 und 6,3 Prozent.

Die damit verbunden Emissionen hatten laut Umweltbundesamt (UBA) einen Anteil am globalen Treibhauseffekt von rund 9 Prozent pro Jahr.

Infografik Klimaerwärmung durch Luftfahrt.Welche Effekte spielen eine Rolle? Welchen Einfluss haben Ozon, Ruß, Methan und Wolkenbildung durch die Luftfahrt in der Höhe?
In der Luftfahrt gibt es neben dem CO2 weitere Klimaeffekte. Ozon, Ruß und Wolkenbildung tragen sogar mehr zur Erderwärmung bei.

Historische Zäsur im Luftverkehr 

Doch durch das Corona-Virus brach der Flugverkehr weltweit ein.  "Die Passagierzahlen bei Lufthansa liegen aktuell nur noch bei maximal ein Prozent des Vorjahresniveaus", sagt Lufthansachef Carsten Spohr in dieser Woche auf der Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG.

Die Lufthansa ist Europas größte Fluggesellschaft. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 130.000 Mitarbeiter und transportierte bisher täglich 350.000 Passagiere. Mit einem Umsatz von 36,4 Milliarden Euro im letzten Jahr machte die Lufthansa zwei Milliarden Euro Gewinn.

Doch jetzt gibt es "praktisch keine länderübergreifende Reisetätigkeit mehr", sagt Spohr. Von 760 Flugzeugen stehen "rund 700 Flugzeuge am Boden",  im Vergleich zum Vorjahr wurden über 3.000 Flüge pro Tag gestrichen, nur die Nachfrage nach Frachttransporten sei hoch. "Unser Unternehmen ist gemessen am Flugplan wieder dort angekommen, wo es 1955 - nach 10 Jahren Flugverbot und 10 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gestartet ist."

Spohr rechnet in den nächsten Monaten mit einer "sehr langsamen Anlaufphase" und erwartet für 2023 ein "neues Gleichgewicht" in der globalen Nachfrage auf niedrigerem Niveau. Die Lufthansa würde nach der Krise anders und kleiner sein, " wir werden unser Flotte um ca. 100 Flugzeuge reduzieren", so Spohr. Zur Krisenbewältigung hofft das Unternehmen jetzt auf mehrere Milliarden Euro Hilfe von mehreren europäischen Regierungen.

Lufthansachef Carsten Spohr auf der Hauptversammlung von Lufthansa
Lufthansachef Carsten Spohr verkündet historischen Einbruch auf der virtuellen Hauptversammlung Bild: picture-alliance/dpa/O. Roesler

Steuergelder für klimafreundlichen Neustart?

Doch ein Neustart mit Steuergeldern sollte gleichzeitig mit tiefgreifenden Korrekturen beim Klimaschutz verbunden werden, sagen Klimaexperten. "Staatliche Unterstützung für die Lufthansa darf es nicht ohne Bedingungen für einen klima- und ressourcenschonenden Luftverkehr in Deutschland geben", sagt Antje von Broock vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Der Staat sollte der Branche finanziell helfen, Staatsanteilen an der Lufthansa erwerben und dies an Bedingungen knüpfen wie es beispielsweise Frankreich vormacht, erklärt Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die französische Regierung unterstützt Air France wegen der Coronakrise mit sieben Milliarden Euro. Im Gegenzug soll die Fluggesellschaft zukünftig auf Inlandsflüge verzichten und die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer bis 2030 um 50 Prozent senken.

Deutschland könnte der Lufthansa ähnliche Auflagen machen, betont Kemfert gegenüber DW. Es gehe um die Entwicklung einer langfristig nachhaltigen Zukunft der Branche.

Mann mit Plakat auf einer Demonstration von Fridays for Future: Mit dem Plakat fordert er eine drastische Reduktion des Flugverkehrs und die Förderung der viel klimafreundlichen Schienenverkehr.
Zug statt Flug: Fridays for Future und Experten fordern Wende in der Verkehrspolitik Bild: DW/G. Rueter

Staatshilfen für den Luftverkehr sollten laut Bundesumweltministerium (BMU) den Zielen von Jobsicherung, Innovation und Klimaschutz dienen. Sie müssten so eingesetzt werden, dass sie nicht nur kurzfristig das Unternehmen sichern, sondern längerfristig zu einer "ökologisch tragfähigen Unternehmensstrategie führen", sagt ein Sprecher des Ministeriums der DW.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte bereits eine verpflichtende Quote von synthetisch erzeugtem Kerosin aus Ökostrom vorgeschlagen für alle Fluglinien. So könnte aus Erdöl erzeugtes Kerosin zunehmend ersetzt werden. Nun könnten Staatshilfen für Unternehmen an verbindliche Zusagen geknüpft werden, "über die verpflichtende Quote hinaus mehr Kerosin aus grünem Wasserstoff abzunehmen. Das würde eine wichtige Zukunftstechnologie für den Klimaschutz in Deutschland voranbringen", sagt der Sprecher des Ministeriums.

Aus Klimaschutzsicht müsse die Luftfahrt weltweit bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden betont das Umweltbundesamt (UBA) . "Um das zu erreichen, muss der Luftverkehr nachhaltig umgebaut und sein Wachstum begrenzt werden," so UBA in einer Stellungnahme gegenüber DW.

Finanzielle Hilfen sollten zudem mit einer "fairen Besteuerung" verbunden werden, betont das UBA. Derzeit ist Flugbenzin von Steuern befreit und auf internationale Flugtickets wird in Deutschland keine Mehrwertsteuer erhoben, anders als beispielsweise bei Zugfahrkarten, Diesel und Benzin.

Laut UBA lagen diese Subventionen in Deutschland für den Flugverkehr bislang bei rund 12 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem verursacht die Luftfahrt noch externe Umweltkosten durch Klimaschäden, Luftschadstoffe und Lärm: Laut Berechnungen des UBA liegen die Folgeschäden pro 1000 Kilometer Flug bei über 200 Euro pro Passagier. Fluggesellschaften sollten zukünftig die Umweltkosten übernehmen. 

Wenn die derzeitigen Subventionen beendet und die Umweltkosten eingerechnet würden, wäre nach Ansicht des UBA viel erreicht.

Infografik Klimabilanz von Zug , Reisebus, PKW und Flugzeug im Vergleich

"Wir brauchen einen klugen Plan wie jetzt systematisch der Flugverkehr zurück gebaut wird", sagt Ulrich Brand, Professor für Politikwissenschaften in Wien. Dieser Rückbau müsse die Beschäftigten mitnehmen, Ängste nehmen, Umschulungen und gute Beschäftigungsalternativen anbieten.

Hans-Josef Fell, von der Energy Watch Group ist überzeugt, dass die Unternehmen der Luftfahrt jetzt die Chance haben, sich ganz neu auszurichten und so ihr Überleben zu sichern: "Fluggesellschaften müssen sich zu Mobilitätskonzernen wandeln, die Mobilität mit Bahnen, E-Bussen, Carsharing mit E-Autos anbieten, um das auch langfristig darniederliegende Flugpassagiergeschäft auszugleichen."

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion