Ach, was war das früher schön! Die deutsche Wirtschaft stark und mächtig und sozusagen allein zu Haus. Man nannte das die Deutschland AG, jene Verflechtung der deutschen Unternehmen und Banken mit sich selbst. Vorbei war es damit Anfang des Jahres 2000, als der britische Mobilfunker Vodafone den deutschen Traditionskonzern Mannesmann für bis heute unvorstellbare 372 Milliarden D-Mark übernahm. Spätestens da erkannten die deutschen Unternehmen: Wir müssen was tun, internationaler werden, auf Shopping-Tour gehen. Klappte nicht immer, wie bei der legendären, aber grandios gescheiterten - "Hochzeit im Himmel" genannten - Fusion der Autobauer Daimler-Benz und Chrysler zu besichtigen war.
Aber klar: Fusionen und Übernahmen gehören seither zum Geschäft, im Sommer sorgte der Pharma-und Agrarchemiekonzern Bayer mit dem 66 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Konkurrenten Monsanto für den Deal des Jahres. Dass sich die Leverkusener damit wohl überhoben haben, 12.000 Stellen abbauen müssen und eine Klagewelle in den USA am Hals haben - geschenkt. Es soll ja hier um etwas anderes gehen: Nämlich um das Interesse vieler ausländischer Investoren an dem, was in Deutschland unter dem Namen Hidden Champions oder Heimliche Weltmeister firmiert: mittelständische Unternehmen, die mit ihren Produkten Weltmarktführer sind und Sachen können, die andere eben nicht können.
Vor allem die Chinesen haben Blut geleckt.
Denn sie können eine Menge von dem gebrauchen, was die Deutschen erfunden haben. Nun hacken sich die Chinesen zwar auch fleißig in die Firmennetzwerke der Mittelständler, um an deren Betriebsgeheimnisse heranzukommen. Ist nicht so die feine Art (machen aber Amerikaner und Russen genauso). Also nehmen sie vom reichlich vorhandenen Staatsgeld und kaufen sich in die Firmen ein. Das gefällt in Deutschland nicht allen, weil - wie im Fall des Roboter-Spezialisten Kuka zu besichtigen - die neuen Herren irgendwann ihre asiatische Zurückhaltung aufgeben und durchgreifen wollen. Auch beim Autozulieferer Grammer oder beim Betonpumpen-Hersteller Putzmeister mussten die alten Chefs früher oder später aus unterschiedlichen Gründen gehen
Da werden alte Reflexe wiederlebt, die aus der Zeit der Heuschrecken-Invasion stammen. Das war die Zeit, als vor allem US-Finanzinvestoren großes Interesse an deutschen Firmen entwickelt hatten und dort auch verbrannte Erde hinterließen. Weil sie Firmen filetierten, die besten Stücke verkauften und den Rest mit einem Schuldenberg ihrem Schicksal überließen. Dafür erfand der einstige SPD-Chef Franz Münterfering den Begriff der Heuschrecke.
Die Heuschrecken von heute sind die Chinesen.
Über die Finanzinvestoren redet heute keiner mehr. Der größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock, hält heute Anteile an allen im Deutschen Aktienindex Dax gelisteten Unternehmen. Und niemand stört sich dran. Es ist schließlich auch eine Art Wertschätzung, wenn solche Profis meinen, dass sich das lohnt.
Aber die Chinesen, die wollen wir nun doch nicht. Die Neufassung der sogenannten Außenwirtschaftsverordnung richtet sich vor allem gegen sie. Warum? Seit Jahren bemängelt die deutsche Wirtschaft (zu Recht) die schwierigen Verhältnisse auf dem chinesischen Markt. Erst einem einzigen Unternehmen (BMW) ist es erlaubt, ohne einen Joint-Venture-Partner in China unterwegs zu sein. Die von Chinas Präsident Xi Jinping versprochene Öffnung ist bislang nur ein Lippenbekenntnis.
Warum muss Deutschland deswegen seine Mauern höher ziehen?
Klar, alles was unter "kritische Infrastruktur" (Energieversorgung, Wasserwerke etc.) fällt, muss geschützt werden. Aber dann hätte man bestimmte Bereiche eben nicht privatisieren dürfen. Aber das Kind ist in den Brunnen gefallen, und da hilft es hinterher nicht mehr wirklich, einen Zaun drum herum zu bauen. Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, die Deutschen entdecken jetzt das, was die Trump-Truppe im Weißen Haus schon länger umtreibt: Die Chinesen sind gar nicht die Guten im Spiel. Die wollen uns vom Platz schießen. Die wollen die Wirtschafts-Supermacht werden. Deswegen America first. Und jetzt also auch: Germany first?
In der Abschlusserklärung des jüngsten G20-Gipfels steht zum ersten Mal nicht der sonst immer zu findende Satz, auf protektionistische Maßnahmen verzichten zu wollen. Das ist insofern ehrlich, da sich sowieso keiner dran hielt. Und es wäre ja gerade für die Deutschen auch blöd gewesen, das zu unterschreiben und kurz danach Protektionismus zu praktizieren.
Eberhard Veit, einst Chef eines deutschen Hidden Champions, hat einmal gesagt: Wir müssen um mindestens so viel besser sein, wie wir teurer sind. Das ist und bleibt das Erfolgsgeheimnis der deutschen Wirtschaft. Sie braucht die internationalen Märkte, sie braucht internationale Partner. Aber genauso sollte man es sportlich nehmen, wenn ein Investor, egal, woher er kommt, an die Tür klopft.