Machtkampf im Iran
17. Mai 2013Der 2. Februar dieses Jahres war ein außergewöhnlicher Tag in der Geschichte der Islamischen Republik. Im Parlament spielte sich ein beispielloser Eklat ab, der zudem live im Radio übertragen wurde. Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad hatte in einer Sitzung verhindern wollen, dass sein Arbeitsminister Abdol-Resa Scheicholeslam entlassen wird. Dabei beschuldigte er die Abgeordneten, seine Regierungsarbeit zu torpedieren. Als Beweis präsentierte er ein Video. Der Film enthülle, so behauptete Ahmadinedschad, die geheimen Machenschaften von Parlamentspräsident Ali Laridschani und seinen Brüdern. Er warf der Familie Machtmissbrauch und Korruption vor.
Zahlreiche Abgeordnete protestierten daraufhin gegen den Auftritt des Präsidenten, und auch der Angegriffene selbst wehrte sich. Laridschani erklärte, Ahmadinedschad habe ihn mit dem gezeigten Video erpressen wollen. Er agiere mit "Mafia-Methoden" und handele "unter dem Niveau eines Präsidenten". Dieser verbale Schlagabtausch gilt als einmalig in der iranischen Politik, in der größter Wert auf Höflichkeit gelegt wird. In iranischen Medien war von einem "Schwarzen Sonntag" für die Politik zu lesen.
Im Schatten der Präsidentschaftswahl
Dieser jüngste Skandal ist eng mit den anstehenden Wahlen verbunden. Mitte Juni endet die Amtszeit von Mahmud Ahmadinedschad, und um seinen Nachfolger findet ein harter Machtkampf statt. Beobachter glauben, der jüngste Ausbruch des Präsidenten im Parlament zeige, dass Ahmadinedschad entschlossen sei, auch nach dem Ende seiner Amtszeit, sein Regime an der Macht zu halten. Gleichzeitig illustrierten die Folgen der tumultartigen Szenen im Parlament die Rolle, die Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei im Ringen um die Macht spielt. Der iranische Religionsführer verhinderte eine weitere Eskalation. Er tadelte beiden Kontrahenten öffentlich, und erklärte außerdem, Ahmadinedschad habe mit seinem heimlich gedrehten Video gegen religiöse Gesetze verstoßen.
Zwischen Staatsoberhaupt Chamenei und Präsident Ahmadinedschad herrscht seit Monaten Eiszeit. Der Bruch zwischen beiden erfolgte spätestens im April 2011. Damals hatte Ahmadinedschad den Geheimdienstchef Haidar Moslehi, einen Vertrauten Chameneis, zum Rücktritt gedrängt. Der Ajatollah sorgte jedoch für Moslehis Rückkehr ins Amt. Daraufhin blieb der öffentlich vorgeführte Präsident aus Protest einige Tage zuhause.
Und obwohl er im Gerangel um die Macht nicht selten eine Schlappe einstecken muss, bietet Ahmadinedschad seinem ehemaligen Ziehvater immer öfter die Stirn. So bleiben selbst mit Chamenei verbündete Führungsmitglieder der Revolutionsgarden von Attacken durch den iranischen Präsidenten nicht verschont. Dabei hatten sie entscheidend zur Wahl und Wiederwahl Ahmadinedschads in den Jahren 2005 und 2009 beigetragen.
Konservative und der Umgang mit Ahmadinedschad
Ein weiteres Mal kann der 57-Jährige nicht antreten. Doch macht er sich für einen engen Freund und Berater stark: Esfandiar Rahim Machai. Der ehemalige Stellvertreter des Präsidenten soll nach Ahmadinedschads Vorstellung seine Nachfolge antreten. Noch ist allerdings unklar, ob der Wächterrat seinen Namen tatsächlich auf die Wahlliste setzen wird.
Eine weitere Begründung, warum Chamenei Ahmadinedschad nicht im Vorfeld der Wahlen entmachtet hat, liefert die Opposition um Mir-Hussein Mussawi und Mehdi Karoubi. Beide waren bei den letzten Wahlen 2009 als Kandidaten angetreten und stehen derzeit unter Hausarrest. Aus ihrer Sicht würde eine frühzeitige Entmachtung Ahmadinedschads nichts anderes bedeuten als ein moralisches Eingeständnis Chameneis gegenüber der Opposition. Sie hatte direkt nach der Wahl von 2009 nicht an einen Sieg Ahmadinedschads geglaubt und Manipulationen bei der Abstimmung angeprangert.
Ahmadinedschad nutzt die schwierige Situation Chameneis aus. Deswegen polarisiert er weiter und versucht, unter der Bevölkerung an Popularität zu gewinnen. Dieser zunehmende Einfluss kann im Wahlkampf für seinen Favoriten durchaus hilfreich sein. Iran stehen turbulente Tage bevor.