Rettung eines Inselstaats
4. Juli 2016Mauritius ist ein kleiner Inselstaat im Indischen Ozean, etwa 2000 Kilometer von der Küste Afrikas entfernt. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes gehört zu den höchsten unter den afrikanischen Nationen, und Mauritius verfügt über eine gut funktionierende Demokratie. Zudem gehört das Land zu den globalen Hot Spots der Artenvielfalt, insbesondere für Pflanzen. Als Inselstaat ist Mauritius durch die Auswirkungen des Klimawandels besonders gefährdet.
Deutsche Welle: Worin wird der Klimawandel auf Mauritius sichtbar?
Ameemah Gurib-Fakim: Obwohl wir für keine Verschmutzungen verantwortlich sind - der komplette afrikanische Kontinent hat ungefähr zwei Prozent Anteil an den globalen CO2-Emissionen - sind wir wahrscheinlich stark betroffen.
Einer der Bereiche, in denen wir die Folgen des Klimawandels besonders zu spüren bekommen werden, sind die heftigeren Zyklone. Ein anderer Bereich wird die Küstenerosion durch den Anstieg des Meeresspiegels sein. Und was die Küsten betrifft, hat Auswirkungen auf die Tourismusindustrie. Es wirkt sich außerdem auf die Lebensgrundlage der Menschen aus, die auf die Lagunen zum Fischen und für andere Aktivitäten angewiesen sind.
Wir hatten starke Dürren und viele Überschwemmungen. Deswegen müssen wir in ständiger Bereitschaft sein. Die Menschen wissen, dass der Klimawandel Realität ist und Einfluss hat auf alles, was wir tun. Und wir müssen unbedingt Strategien zur Anpassung entwickeln.
Was genau plant Mauritius, um sich auf die zahlreichen Einflüsse vorzubereiten, die Sie beschrieben haben - und die bereits zu spüren sind?
Unsere Lebensgrundlage auf diesem Planeten hängt von der Nachhaltigkeit unserer natürlichen Ressourcen ab. Und kleine Inselstaaten wie Mauritius gehören zu den Hot Spots der Artenvielfalt. DieBiodiversität sichert unser Überleben auf der Erde. Wir müssen auf die Biodiversität zurückgreifen können für Medizin, für Nahrung und alles andere.
Deswegen ist es unerlässlich, dass führenden Politikern auf der ganzen Welt die Notwendigkeit bewusst gemacht wird, diese Artenvielfalt und diese Ökosysteme zu schützen - weil unser Überleben davon abhängt.
Was genau planen Sie, um die Artenvielfalt zu schützen, während sich der Klimawandel immer stärker bemerkbar macht?
Die Menschen wissen das, was sie haben, nicht zu schätzen. Deshalb ist einer der Bereiche, auf die wir uns konzentrieren müssen, weiter zu dokumentieren, wie wichtig unsere Ressourcen sind. Nur wenn wir das tun, werden wir imstande sein, etwas zu unternehmen und eine Strategie zu entwickeln, wie wir sie am besten schützen können.
In dem Klimaabkommen von Paris ist eines der Ziele, Wälder zu schützen und wiederaufzubauen. Was wollen Sie tun, um die Wälder Ihres Inselstaates zu erhalten?
Genau darin waren wir nicht wirklich gut, denn wir haben das meiste unserer ursprünglichen Wälder verloren - aktuell sind weniger als 2 Prozent der natürlichen Waldbestände noch intakt.
Wälder sind die Lungen der Erde. Sie verfügen außerdem über eine Vielzahl von Arten - und bisher zerstören wir die in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, zum Beispiel durch Abholzung oder durch Rodung für die Landwirtschaft. Mit den Auswirkungen des Klimawandels im Hinterkopf ist es zwingend notwendig, die natürlichen Wälder unberührt zu lassen.
Hat Mauritius einen spezifischen Fahrplan für die Dekarbonisierung seines Energiesektors?
Wir versuchen das Bündel an Energien so vielfältig wie möglich zu gestalten. Während der Zuckerrohr-Ernte benutzen wir sehr viel Biogas - aber nach der Ernte müssen wir natürlich auf fossile Brennstoffe zurückgreifen, um unseren Energiebedarf zu decken.
Außerdem bauen wir Solarkraft und Windkraft aus. Und weil wir vom Meer umgeben sind, werden wir außerdem gucken, inwieweit wir die Wellenenergie nutzen können.
Mauritius ist Mitglied der Allianz kleiner Inselstaaten und war Teil der "Koalition der hohen Ambition", die sich bei der COP21 in Paris für das 1,5-Grad-Ziel eingesetzt haben. Welche anderen Maßnahmen ergreift Mauritius aktuell, um das Pariser Übereinkommen voranzubringen?
Wir machen zum Beispiel viel mit der Indian Ocean Comission, die eines der Vorzeigeprojekte der EU ist, und die unser Partner bei der Finanzierung war. Die Indian Ocean Commission hat sich mittlerweile noch um ein paar ostafrikanische Länder erweitert.
Die Zukunft wird deswegen in der Partnerschaft liegen - Süd-Süd, aber auch Nord-Süd. Wir müssen so viel Technologie wie möglich einsetzen, um die Menschen zu wappnen und um ihnen bewusst zu machen, dass wir bereits über die Technologie verfügen, die hilft.
Wie können die führenden Politiker der Entwicklungsländer von der Dekarbonisierung überzeugt werden?
Mauritius wurde in den 1960ern schon als hoffnungsloser Fall angesehen, so weit weg von allem anderen. Trotzdem haben wir gezeigt, dass es klappen kann. Es kann klappen mit dem Willen, mit einer Zusammenarbeit von Regierung und Bevölkerung, und damit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir haben uns weiterentwickelt indem wir den Menschen mehr Möglichkeiten gegeben haben, sich einzubringen, durch einen demokratischen Prozess, durch Verantwortung, und auch durch kostenlose Bildung.
Erneuerbare Energien sind auf lange Sicht wirtschaftlich zwingend erforderlich. Wie können die führenden Politiker davon überzeugt werden?
Länder müssen Zugang zu Energie haben - Energie ist ein Muss, sie kurbelt die Wirtschaft an. Deswegen sehen sich die Politiker damit konfrontiert, diesen Zugang zu Energie zu sichern. Hier kommt der Green Fund mit den geeigneten Technologien ins Spiel. Die Zusammenarbeit von Nord und Süd braucht es, damit das klappen kann.
Das Übereinkommen von Paris ist jedoch bisher nicht ratifiziert. Hoffentlich werden die Länder bis Ende 2016 oder Anfang 2017 gewillt sein, zu unterschreiben. Wir warten immer noch darauf, dass einer der großen Partner - die Europäische Union - unterschreibt. Alle Partner müssen zusammenkommen wollen, um es zu verwirklichen, sodass die Menschen mit Energie versorgt sind, für ihre eigene Entwicklung.
Was ist die größte Herausforderung für Sie bei der Anpassung an den Klimawandel?
Wie bekommen wir die passenden Informationen, wie bekommen wir Zugang zu den erforderlichen Technologien und Mitteln, und wie schaffen wir das vor Ort?
Natürlich läuft es am Ende auf eines hinaus: Die Finanzierung. [schmunzelt]
Ist Mauritius auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet?
Das ist eine Frage, die die ganze Welt betrifft: Sind wir alle darauf vorbereitet?
Unsere Vorsorge, und wie wir dem Klimawandel trotzen können, wird davon abhängen, wie gut wir unser eigenes Volk wappnen können.
Die Biodiversitäts-Wissenschaftlerin Bibi Ameenah Firdaus Gurib-Fakim ist seit Juni 2015 Präsidentin von Mauritius.
Das Interview führte Sonya Angelica Diehn während der European Development Days 2016 in Brüssel.