Gaziantep-Todesopfer sind meist minderjährig
22. August 201629 von 44 bislang identifizierten Toten seien unter 18 Jahre alt, berichten türkische Nachrichtensender. Ein Regierungssprecher teilte mit, 22 Todesopfer seien jünger als 14 Jahre gewesen. Der Attentäter hatte bei dem Angriff auf eine kurdische Hochzeitsfeier in der südosttürkischen Millionenstadt Gaziantep am Samstagabend mindestens 54 Menschen mit in den Tod gerissen und 69 verletzt.
Augenzeugen hatten berichtet, dass die Bombe mitten unter den Gästen des Festes hochgegangen sei. Bekannt hat sich bisher niemand zu dem Blutbad. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte in einer Stellungnahme am Sonntag die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) für den schwersten Anschlag in diesem Jahr in der Türkei verantwortlich gemacht.
Nach seinen Angaben hat ein 12 bis 14 Jahre alter Junge den Anschlag verübt. Unklar ist, ob sich das Kind selbst in die Luft gesprengt hat oder ob der Sprengsatz per Fernzünder ausgelöst wurde. Die türkische Zeitung "Hürriyet" berichtet, auf Überwachungskameras sei zu sehen, dass das Kind von zwei Personen begleitet worden sei. Sie hätten sich entfernt, bevor die Bombe detonierte. Die Identität des Minderjährigen, der den Sprengstoffgürtel trug, habe bisher nicht festgestellt werden können. Medizinische Experten seien dabei, die DNA des Attentäters zu untersuchen.
Ausschließlich kurdische Opfer
Der Vorsitzende der Kurden-Partei HDP, Selahattin Demirtas, sagte, alle Todesopfer seien Kurden. Der Bräutigam, der wie die Braut nur leicht verletzt wurde, sei Parteimitglied. Inzwischen wurden die Todesopfer im Rahmen von Trauerzeremonien auf dem Friedhof in Gaziantep beigesetzt.
Der als gut vernetzt geltende Kolumnist Abdulkadir Selvi sagte, es sei möglich, dass der Attentäter über die nahe Grenze aus Syrien gekommen sei. Der IS unterhalte aber bekanntlich auch Zellen in Gaziantep und Istanbul. Türkische Sicherheitskräfte gingen davon aus, dass es sich um einen Racheakt der Dschihadisten für Offensiven kurdischer Milizen und pro-türkischer syrischer Oppositionskräfte gegen den IS handele.
Bekannte Bombenkonstruktion
Laut "Hürriyet" ähnelt die Bauart des Sprengsatzes denjenigen Bomben, die bei früheren Selbstmordanschlägen auf kurdische Versammlungen in der Grenzstadt Suruc und in Ankara verwendet worden seien. Besonders folgenschwer war ein Attentat auf eine pro-kurdische Veranstaltung im Oktober 2015 in Ankara, bei der knapp 100 Menschen getötet wurden.
Die Regierung in Ankara hatte den IS mehrfach für zahlreiche Anschläge im Land verantwortlich gemacht. Die Miliz bekannte sich jedoch zu keinem der Bombenattentate. Sie übernahm dagegen in der Vergangenheit die Verantwortung für Morde an syrischen Oppositionellen in Gaziantep. Die gleichnamige Provinz grenzt an das Bürgerkriegsland Syrien. Auf der syrischen Seite kontrolliert der IS ein großes Gebiet.
Erdogan verurteilte den Anschlag und sagte, in der Vergangenheit sei die Polizei schon gegen IS-Zellen in Gaziantep vorgegangen. Er kündigte an: "Natürlich werden unsere dortigen Sicherheitskräfte diese Einsätze noch intensiver fortsetzen." Erdogan sagte, die Urheber des Anschlags versuchten, das Volk gegeneinander aufzubringen, indem sie "ethnische und religiöse Empfindlichkeiten" für ihre Zwecke nutzten. Damit würden sie keinen Erfolg haben.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte, er wolle die Terrormiliz IS von der türkisch-syrischen Grenze zurückdrängen. "Unsere Grenze muss vollständig von Daesh (IS) gesäubert werden", sagte Cavusoglu. Der Kampf gegen die Terrormiliz werde "bis zum Ende" weitergeführt. Wie genau die Türkei gegen den IS vorgehen wolle, sagte er nicht.
Entsetzen weltweit
Der Terrorakt wurde international einhellig verurteilt. Die US-Regierung nannte die Tat barbarisch. "Wir stehen bei der Verteidigung der Demokratie gegen alle Arten von Terrorismus an der Seite des türkischen Volkes", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Ned Price.
Die deutsche Regierung sicherte zu, im Kampf gegen den Terrorismus weiter eng an der Seite der Türkei zu stehen. In einem Kondolenztelegramm an Ministerpräsident Binali Yildirim drückte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Mitgefühl und Beileid aus. Auch die EU-Kommission und die NATO sicherten der Regierung in Ankara Solidarität zu.
kle/as (dpa, rtr, afpe)