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PolitikAfrika

Afrika muss sich auch kulturell befreien

Kommentarbild | Dr. Harrison Mwilima
Harrison Mwilima
24. Januar 2022

Lange wurden Geschichte und Kultur Afrikas nur aus eurozentrischer Perspektive betrachtet. Höchste Zeit, dass die Afrikaner ihre Vergangenheit zurückerobern, um sich selbst zu stärken, meint Harrison Mwilima.

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Eine afrikanischer Junge sitzt auf dem Boden einer Bibliothek mit einem Kinderbuch über die Geschichte Afrikas
Bücher über die Geschichte und Kultur Afrikas sollten vor allem von Afrikanern geschrieben werdenBild: DW

Der Kolonialismus hat in vielen Ländern die afrikanischen Kulturen und Traditionen zerstört und den Weg für die Vorherrschaft der europäischen Kultur geebnet. Die Sünde des Sklavenhandels spielte darüber hinaus eine entscheidende Rolle dabei, Afrikaner in andere Teile der Welt zu bringen und sie ihrer Identität zu berauben, indem man sie gewaltsam von ihrem Heimatkontinent trennte.

Deswegen gibt es Welttag der afrikanischen und afrikanischstämmigen Kultur. Er ist zugleich Anlass für den Appell an alle Schwarzen - egal ob sie in Afrika oder anderswo leben - ihre kulturelle Befreiung als Aufgabe zu begreifen.

Verschiebung der Perspektiven

Trotz ihrer zahlreichen Beiträge zur Weltkultur in Form von Kunst, Musik, Tanz, Sprache, Literatur und vielem mehr wird die Geschichte Afrikas immer noch hauptsächlich in Zusammenhang mit dem Kolonialismus und dem Sklavenhandel wahrgenommen. Frustriert über diesen Befund beschlossen junge afrikanische Wissenschaftler in den Jahren der Unabhängigkeitsbewegungen, sich eingehender mit der Geschichte unseres Kontinents zu befassen, um mehr über die kulturellen Beiträge Afrikas zum Rest der Welt zu erfahren.

Kommentarbild | Dr. Harrison Mwilima
DW-Redakteur Dr. Harrison MwilimaBild: Carolin Seeliger

Das Ergebnis waren historische Forschungen über alte afrikanische Zivilisationen in Regionen wie Nubien, Äthiopien und Ägypten. Das alte Ägypten ist berühmt für sein komplexes Sozialsystem, das den Bau der Pyramiden hervorbrachte. Einige afrozentrische Wissenschaftler haben dieses Ägypten als eine im Kern afrikanischen Zivilisation bezeichnet. Der senegalesische Gelehrte Cheikh Anta Diop behauptete - wenn auch nicht unumstritten -, dass in diesem Staatswesen nämlich vor allem Schwarzafrikaner gelebt hätten.

Andere afrozentrische Wissenschaftler dieser Epoche gingen noch weiter und erklärten, wie die altgriechische Philosophie vom alten Ägypten beeinflusst wurde. In seinem Buch "Stolen Legacy" (Gestohlenes Erbe) vertrat der Autor George G. M. James sogar die Ansicht, dass Afrika und nicht Griechenland als Quelle der westlichen Philosophie angesehen werden müsse.

Afrikaner erzählen ihre eigenen Geschichten

Derart zugespitzte afrozentrische Perspektiven wurden von anderen Wissenschaftlern kritisiert und zurückgewiesen. Sie zeigen aber, wie wichtig es ist, dass Afrikaner weiterhin ihre eigene Geschichte und die Auswirkungen ihrer Kulturen auf den Rest der Welt erforschen.

Es ist weltweit viel über Afrika geschrieben worden. Aber vor allem die Afrikaner selbst müssen verstärkt über sich und ihren Kontinent schreiben. Nachdem sie die staatliche Unabhängigkeit erlangt hatten, haben nur wenige Länder auch der kulturellen Befreiung die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. In den Bereichen Sprache und Bildung sowie Wissenschaft und Technologie dominieren nach wie vor europäisch geprägte Systeme.

Aber letztlich spiegelt die Kultur die Gesellschaft wider. Und es ist die Kultur, die ein Drehbuch dafür liefert, in welchem gesellschaftlichen Kontext sich Neues - zum Beispiel Fortschritte in Wissenschaft und Technik - entwickeln sollte.

Wissen wiederentdecken

Kulturelle Stärkung beginnt mit der Anerkennung unserer verschiedenen Kulturen und der Kenntnis ihrer einzigartigen Beiträge für den Rest der Welt. Heutige afrozentrische Wissenschaftler wollen die Kulturgeschichte Afrikas wiederentdecken, um den Afrikanern Selbstbewusstsein zu vermitteln, aber auch, um das kulturelle Wissen weltweit zu bereichern.

Kultur ist zu einem wichtigen Bestandteil der sogenannten Soft Power geworden, die sich in so vielem niederschlägt - von Filmen über Musik bis zur Literatur. Es liegt an uns Afrikanern, diese Tatsache strategisch zu nutzen und dafür zu sorgen, dass unsere reiche Kultur und ihre Früchte weithin sichtbar sind.

Die Welt könnte sehr davon profitieren, mehr über die kulturelle Schönheit Afrikas und seiner Menschen zu erfahren. So könnten sich Schüler inner- und außerhalb Afrikas vielleicht eines Tages mit großen afrikanischen Literaten wie Chinua Achebe beschäftigen und gleichzeitig die Stücke von William Shakespeare lesen. Oder vergleichend etwas über den Einfluss von Anführern wie Winston Churchill und Shaka Zulu lernen.

Der Text wurde von Felix Steiner aus dem Englischen adaptiert.