Mit dem Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Yoshihide Suga in Washington ist die Sicherheitspartnerschaft zwischen Japan und den Vereinigten Staaten in eine neue Phase eingetreten. Die Verbündeten lassen ihre jahrzehntelangen Handelsstreitigkeiten hinter sich und konzentrieren sich auf die Abwehr der Weltmachtansprüche von China. Und weil diese Auseinandersetzung vor allem in Asien stattfindet, wächst die Bedeutung von Japan für die Vereinigten Staaten. Der bisherige Juniorpartner befindet sich nun erstmals auf Augenhöhe.
Das Konzept eines "freien und offenen Indopazifik", das Biden und Suga jetzt beschworen, stammt ursprünglich aus Japan. Die Demokratien der Region, von Australien über Indonesien bis Indien, sollen durch ihre Kooperation sicherstellen, dass keine Großmacht die für den Welthandel wichtigen Wasserwege in Asien kontrollieren kann. Dieses Ziel passt perfekt zu der Außenpolitik des neuen US-Präsidenten. Er schmiedet einen Bund der Demokratien gegen Autokratien wie China und tritt dem Hegemoniestreben der Kommunistischen Partei gemeinsam mit Partnern wie Japan entgegen.
Neue Bereiche werden wichtig
Bisher basierte die inzwischen 61 Jahre alte Allianz zwischen Tokio und Washington vor allem auf dem Sicherheitsaspekt. Die USA verteidigen Japan, auch mit Atomwaffen. Im Gegenzug nutzen sie den Archipel als vorgeschobenen Militärstützpunkt in Asien. Doch das Ringen mit China spielt sich in den Sphären Wirtschaft, Technologie und Diplomatie ab. Genau dort liegen Japans größte Stärken, die es im Sinne der USA in Asien ausspielen soll.
Dort übt Japan bereits heute großen Einfluss aus. Spätestens seit der Finanzkrise sieht die Inselnation ihre Zukunft in dieser Region und versteht sich als asiatische Nation. Daher rettete Japan die Transpazifische Partnerschaft, nachdem Donald Trump diesen Handelsvertrag der Pazifikanrainer fallengelassen hatte. Daher schloss sich Japan im Vorjahr dem asienweiten Freihandelspakt RCEP an, obwohl es eine chinesische Initiative ist.
Japan hat in Südostasien bislang auch mehr investiert als China mit seiner Belt-and-Road-Kampagne. Die Bedingungen für seine Kredite sind fairer als die von China. Zudem hat der langjährige Premier Shinzo Abe ein Netzwerk für eine militärische Zusammenarbeit geknüpft. Das stetige und verlässliche Engagement hat dazu geführt, dass die Menschen in Südostasien laut einer Umfrage des ASEAN Studies Center Japan mehr als jeder anderen Nation vertrauen. Auch diese Softpower macht Japan wertvoll für die USA.
In seine neue Rolle wächst Japan allerdings nur langsam hinein. Man hat wenig Übung darin, etwa die Einhaltung von Menschenrechten einzufordern. Diplomatie diente den Regierungen in Tokio dazu, den Handel zu fördern und neue Märkte zu erschließen. Diese Maxime galt lange Zeit auch für China. Trotz politischer Eiszeit florierten Außenhandel und Investitionen.
Aber spätestens seitdem China im Ostchinesischen Meer immer stärker militärische Flagge zeigt, denkt das japanische Establishment um. Ein bewaffneter Konflikt um die Senkaku-Inseln, die China Diaoyu nennt, ist zu einem realistischen Szenario geworden. Deswegen sucht Japan den möglichst engen Schulterschluss mit den USA. Eine Sonderrolle mit gleichzeitiger Nähe zu Peking und Washington ist keine realistische Option mehr.
Aus dieser Einsicht heraus war Premier Suga bereit, das Stichwort Taiwan erstmals seit 1969 in die Schlusserklärung eines Gipfels hineinzunehmen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass demnächst japanische Soldaten die Freiheit von Taiwan verteidigen. Die Rolle der Selbstverteidigungsstreitkräfte bei einer Krise dürfte sich auf die logistische Unterstützung der US-Truppen beschränken. Dennoch dürfte die Aussage zu Taiwan einige Japaner erschrecken und dort eine Debatte über die pazifistischen Grenzen der Verfassung auslösen. Aber Suga wollte das Signal an China - und die USA - senden, dass Japan ganz fest zu seinem einzigen Sicherheitspartner steht.