Die "Bayern" des Frauenfußballs
17. Juni 2020Es war der 19. Sieg im 20. Bundesligaspiel der Saison. Mit einem 2:0 (1:0)-Erfolg gegen den SC Freiburg sicherte sich das Frauen-Team des VfL Wolfsburg an diesem Mittwoch vorzeitig den sechsten Meistertitel der Vereinsgeschichte, den vierten in Serie. Verfolger FC Bayern kann den Rückstand von acht Punkten an den verbleibenden beiden Spieltagen nicht mehr aufholen.
Die "Wölfinnen" sind in dieser Saison eine Klasse für sich. Mit aktuell 88 Toren stellen sie den mit großem Abstand besten Sturm und mit nur acht Gegentreffern auch die beste Abwehr der Liga. In der Torjägerinnen-Liste liegt die VfL-Angreiferin Pernille Harder souverän an der Spitze, die dänische Nationalspielerin traf bisher 26-mal.
Die von der Corona-Krise zeitweise unterbrochene Saison könnte für das Frauenteam des VfL Wolfsburg genauso erfolgreich enden wie die historische Spielzeit 2012/2013, als die Mannschaft des damaligen Trainers und heutigen Sportdirektors Ralf Kellermann das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokalsieg und Champions-League-Triumph gelang. Im Pokalfinale am 4. Juli in Köln gegen die SGS Essen sind die Fußballerinnen aus Norddeutschland klar in der Favoritenrolle. Und in der noch ausgesetzten Champions League steht der VfL im Viertelfinale, Gegner dort ist der schottische Klub Glasgow City FC.
VW-Geld im Rücken
Seit 2013 führt im deutschen Frauenfußball kein Weg mehr am VfL Wolfsburg vorbei – lediglich dem FC Bayern gelang es mit zwei Meistertiteln 2015 und 2016 sowie dem DFB-Pokalsieg 2014, die Erfolgsserie der "Wölfinnen" zu unterbrechen. Doch seit 2017 hat der VfL alle nationalen Titel abgeräumt. 2014 gelang es den Wolfsburgerinnen zudem, den Champions-League-Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Ihre aktuelle Dominanz ähnelt der des Serienmeisters FC Bayern in der Männer-Bundesliga.
Das Frauen-Team des VfL Wolfsburg entstand am 1. Juli 2003, als der Verein die Frauenfußball-Abteilung des damaligen Bundesligisten WSV Wendschott übernahm - Wendschott ist ein Stadtteil von Wolfsburg. Damit wurden die "Wölfinnen" wie das Männer-Bundesligateam zu einer Werkself des Automobilkonzerns Volkswagen. Und darin liegt auch ein großer Teil des Erfolgsgeheimnisses begründet. Geld schießt zwar keine Tore, aber hilft dabei. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung - offizielle Angaben gibt es dazu nicht - kratzt der Haushalt des erfolgreichen VfL-Frauen-Teams inzwischen an der 10-Millionen-Euro-Marke. Damit liegt er zwar noch immer deutlich unter dem Budget des Männerteams, das auf 75 Millionen Euro geschätzt wird, aber weit über den Etats der meisten anderen Vereine in der Frauen-Bundesliga.
Topspielerinnen zieht es nach Wolfsburg
Spitzenspielerinnen kommen angeblich in Wolfsburg auf einen Monatslohn von bis zu 10.000 Euro, was angesichts der im Schnitt zehnmal so hohen Gehälter in der Männer-Bundesliga wenig erscheint, im Frauenfußball aber schon als Topverdienst gilt. Der VfL gilt damit nicht nur sportlich, sondern auch finanziell als sehr gute Adresse. Auch international: Im aktuellen 25-köpfigen Kader stehen zwölf Spielerinnen mit ausländischem Pass. Für die kommende Saison wurden mit der polnischen Nationaltorhüterin Katarzyna Kiedrzynek (bisher Paris St. Germain) und den beiden deutschen Nationalspielerinnen Pauline Bremer (Manchester City) und Lena Oberdorf (SGS Essen) drei weitere Topfußballerinnen verpflichtet.
Erfolgreiches Tandem
Zum Erfolgsrezept der "Wölfinnen" gehört auch die Kontinuität in der sportlichen Führung. Ralf Kellermann, der 2017 auf den Posten des Sportdirektors wechselte, kennt den Verein aus seiner neunjährigen Zeit als Trainer und sportlicher Leiter in Personalunion aus dem Effeff und setzt seine erfolgreiche Arbeit im Management fort. Er hat einen engen Draht zu seinem früheren Co- und heutigen Cheftrainer Stephan Lerch, der seit 2013 im Verein ist.
Das Gesamtpaket stimmt also bei den "Wölfinnen". Noch ist der 1. FFC Frankfurt mit sieben Titeln deutscher Rekordmeister in der Frauen-Bundesliga. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der VfL Wolfsburg an den Frankfurterinnen vorbeizieht. Denn die "Wölfinnen" sind "immer hungrig". So lautet die Botschaft eines Youtube-Imagevideos, das der VW-Werksklub zu Beginn der Saison veröffentlichte. Auch wenn das Frauen-Team darin deutlich weniger Platz einnahm als die Männermannschaft - ein gewisser Stolz des Klubs auf die erfolgreichen Fußballerinnen war doch herauszuhören: "Und unsere Frauen solltet ihr erstmal sehen", hieß es in dem Video.