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Merkel verurteilt Gaddafis 'Kriegserklärung'

23. Februar 2011

Mit Bestürzung hat Deutschland auf die jüngste Ansprache von Libyens Machthaber Gaddafi reagiert. Dieser habe "quasi seinem Volk den Krieg erklärt", empörte sich die Kanzlerin, die Gaddafi zugleich mit Sanktionen drohte.

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Gaddafi im Staatsfernsehen (Foto: AP)
Wütend: "Revolutionsführer" Gaddafi im StaatsfernsehenBild: Libya State Television via APTN/AP/dapd

Muammar al-Gaddafis Rede sei "sehr, sehr erschreckend" gewesen, sagte Angela Merkel in Berlin. An das Regime in Tripolis richtete die Bundeskanzlerin den eindringlichen Appell, sofort und konsequent auf den Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten zu verzichten.

Eine "klare Sprache"

Guido Westerwelle und Angela Merkel (Foto: dapd)
Besorgt: Westerwelle, MerkelBild: dapd

Sonst werde Deutschland sich dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft alle Möglichkeiten nutze, um Druck auszuüben - inklusive Sanktionen. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen sind unter anderem ein Einreiseverbot gegen die Familie von Staatschef Gaddafi sowie das Einfrieren von im Ausland deponierten Vermögenswerten der libyschen Regierung denkbar.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von "empörenden Vorgängen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, die wir nicht hinnehmen können". Bei einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel war die Verhängung von Sanktionen gegen Libyen allerdings gescheitert - vor allem am Widerstand Italiens. "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich nicht alle derzeit in der gleichen Weise äußern wollen", räumte Westerwelle ein. Umso wichtiger sei es für die anderen, eine "klare Sprache" zu finden. Italien unterhält enge Wirtschaftskontakte zu Libyen und fürchtet zudem neue Flüchtlingsströme aus Nordafrika.

Wie 1989 in Peking

Demonstrierende Libyer (Foto: AP)
Beleidigt: Für Gaddafi sind die Demonstranten "Ratten"Bild: dapd

Der von den rebellierenden Bürgern in die Enge getriebene Gaddafi hatte bei einer Fernsehansprache am Dienstagnachmittag klargestellt, dass er seine Macht mit allen Mitteln verteidigen wolle. Seine Gegner beschimpfte er als "Söldner und Ratten", die die Todesstrafe verdient hätten. Sollten sie nicht aufgeben, werde er dafür sorgen, dass das ganze Land "Haus für Haus gesäubert" werde.

Den "Rebellen" drohte er mit einer blutigen Niederschlagung der Proteste "ähnlich wie auf dem Tiananmen-Platz" in Peking im Jahr 1989. "Legt Eure Waffen sofort nieder, sonst gibt es ein Gemetzel", rief der 68-Jährige. Er selbst werde Libyen keinesfalls verlassen und sei bereit, als "Märtyrer" zu sterben, betonte Gaddafi. Für diesen Mittwoch (23.02.2011) rief er seine Anhänger auf, für ihn zu demonstrieren. Für die etwa 75-minütige Ansprache ließ er sich symbolträchtig vor seiner 1986 von US-Militärflugzeugen zerstörten Residenz in Tripolis filmen, die seither nicht wieder aufgebaut wurde.

Auf Distanz zu Gaddafi

Libysche Soldaten (Foto: dpa)
Unklar: Kann Gaddafi noch auf die Armee zählen?Bild: Picture-Alliance/dpa

Die Lage in Libyen bleibt derweil unübersichtlich. Parlamentspräsident Mohamed Swei sagte in Tripolis, in den meisten großen Städten sei nach den Ausschreitungen der vergangenen Tage wieder Ruhe eingekehrt.

Regimegegner haben nach eigenen Angaben bereits größere Teile Libyens unter ihre Kontrolle gebracht. Überall im Land seien Armee-Einheiten und Sicherheitskräfte übergelaufen, berichteten ranghohe libysche Funktionäre, die auf Distanz zu Gaddafi gegangen sind. Die Aufständischen beherrschten bereits 90 Prozent des Landes, heißt es. Politische Beobachter schließen einen völligen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Libyen nicht mehr aus.

Libyens Innenminister Abdel Fatah gab seinen Rücktritt bekannt und stellte sich hinter die Protestbewegung. Er appellierte an "die bewaffneten Sicherheitskräfte, auf die Forderungen des Volkes zu hören". Nach Darstellung der Opposition kamen bei Ausschreitungen und brutalen Übergriffen der Einsatzkräfte schon Hunderte Menschen ums Leben. Gaddafi-treue Einheiten sollen in den vergangenen Tagen schwere Waffen und sogar Kampfflugzeuge gegen Demonstranten eingesetzt haben. Der Nachrichtensender Al-Arabija meldete, etwa 1400 Menschen würden noch vermisst.

UN setzen "deutliches Signal"

UN-Sicherheitsrat (Foto: AP)
Mächtig oder machtlos?
Der WeltsicherheitsratBild: AP

Die Vereinten Nationen forderten Gaddafi zum sofortigen Stopp der Gewalt auf. Gegen Menschen, die berechtigte Forderungen vorbrächten, dürfe nicht mit Waffen vorgegangen werden, heißt es in einer Erklärung, die von allen 15 Nationen im UN-Sicherheitsrat - darunter Deutschland - gebilligt wurde. Diejenigen, die für Angriffe auf Zivilisten verantwortlich seien, müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Gaddafi solle das Papier als "deutliches Signal" verstehen, dass er für den Schutz seines Volkes verantwortlich sei. Libyens Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi, der sich am Tag zuvor von Gaddafi losgesagt hatte, kritisierte die Erklärung als "nicht stark genug" - angesichts eines "beginnenden Völkermordes".

Raus aus Libyen!

In groß angelegten Rettungsaktionen brachten unterdessen zahlreiche Staaten ihre Bürger in Sicherheit. Zwei Bundeswehr-Maschinen flogen am Dienstagabend von Tripolis nach Malta, eine Sondermaschine der Lufthansa nach Frankfurt am Main. Insgesamt hätten sich darin rund 350 "deutsche und europäische Staatsangehörige" befunden, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Für diesen Mittwoch sind weitere Flüge geplant, um die verbliebenen Deutschen aus Libyen zu holen.

Autor: Christian Walz (dpa, rtr, dapd, afp)
Redaktion: Frank Wörner