Merkel will neue europäische Flüchtlingspolitik
5. September 2015Aufgaben und Belastungen müssten gerechter verteilt werden, "damit nicht weiterhin nur einige wenige Länder den größten Teil der Flüchtlinge aufnehmen". Ganz Europa sei entsprechend der Wirtschaftskraft und Größe des jeweiligen Landes gefordert, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Ähnlich hatte sich Merkel zuvor bei einem Auftritt im Essener Oberbürgermeister-Wahlkampf geäußert (Artikelbild). "Es kann nicht sein, dass vier oder fünf Länder die ganze Last tragen", bekräftige Merkel. Zwischen den 28 EU-Ländern müsse es eine "faire Lastenverteilung" geben. "Wir sind alle in der Europäischen Union der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet." Das müsse sich auch in einer fairen Teilung der Aufgaben zeigen.
Die Europäische Union streitet weiter darüber, wie mit den Hunderttausenden von Flüchtlingen umgegangen werden soll, die mit der Macht ihrer Verzweiflung nach Europa drängen. Allen voran die östlichen Mitglieder sträuben sich gegen fixe Zuteilungsquoten. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande hatte Merkel bereits am Donnerstag verbindliche Flüchtlingsquoten für alle EU-Länder gefordert.
Keine Steuererhöhung wegen Flüchtlingskrise
In dem Interview mit der Funke-Mediengruppe schloss die Kanzlerin zusätzliche Belastungen der deutschen Steuerzahler wegen der Flüchtlingskrise aus. Steuererhöhungen zur Finanzierung der durch die Flüchtlinge entstehenden Kosten werde es nicht geben, antwortete Merkel auf eine entsprechende Frage.
Warnung vor Terror von Rechts
Angesichts zahlreicher Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte warnte die Kanzlerin in dem Interview mit der Funke-Mediengruppe zudem vor einem neuen Rechtsterrorismus und rief sie zur Wachsamkeit auf. "Eine Schande wie die so lange unaufgeklärte Mordserie des NSU darf sich nie wiederholen", sagte die CDU-Chefin. Jeder müsse sich klar und unmissverständlich Angriffen auf Flüchtlinge entgegenstellen. "Es darf null Toleranz für Hass und Fremdenfeindlichkeit geben."
Die Kanzlerin wandte sich auch gegen die Einschätzung, Fremdenfeindlichkeit sei vor allem ein ostdeutsches Problem. "Ich sehe nicht den Sinn in einer Ost-West-Diskussion. Was akzeptabel und was nicht akzeptabel ist, das gilt in ganz Deutschland", sagte sie.
Die Formulierung von Bundespräsident Joachim Gauck, der vor einem "Dunkeldeutschland" gewarnt hatte, wollte sich Merkel ausdrücklich nicht zu Eigen machen. "Jeder drückt das auf seine Weise aus", sagte sie. Die Wirkung eines möglichen Verbots der rechtsextremen NPD beurteilte Merkel in dem Interview skeptisch. "Ich befürchte (...), das rechtsextremistische Gedankengut bleibt, auch wenn eine Partei verboten wird." Der Bundesrat will vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD erreichen. Bundesregierung und Bundestag sind an dem Verfahren nicht beteiligt.
qu/sp (dpa, rtr)