#MeToo: Volksbühne-Intendant Dörr gibt Amt auf
15. März 2021Der Intendant der Volksbühne, Klaus Dörr, gibt sein Amt auf. Das teilte Berlins Kultursenator Klaus Lederer am Montag (15. März 2021) im Berliner Abgeordnetenhaus im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten mit. Vorausgegangen waren Meldungen über Beschwerden von Mitarbeiterinnen des Theaters über anzügliche und sexistische Sprüche, Diskriminierung und das Fotografieren unter den Rock.
Wie die Tageszeitung "taz" berichtete, hatten sich zehn Mitarbeiterinnen an die vor allem für Film und Theater zuständige Vertrauensstelle Themis gewandt, die 2018 unter anderem von Berufsverbänden im Zuge der #MeToo-Debatte ins Leben gerufen worden war. Themis hatte daraufhin die Senatsverwaltung für Kultur über die Vorwürfe an der öffentlichen Bühne informiert.
Kultursenator Lederer erklärte nun, er habe am 18. Januar 2021 Kenntnis von den Vorwürfen erhalten und umgehend eine Anwaltskanzlei mit der Bearbeitung betraut. Laut einer Pressemitteilung seiner Verwaltung vom vergangenen Samstag hätten Lederer und einer seiner Staatssekretäre die Frauen drei Tage später zu einem Gespräch getroffen. Klaus Dörr sei Anfang März zu den Vorwürfen angehört worden.
Klaus Dörr erklärte, er übernehme die Verantwortung für die erhobenen Vorwürfe. "Ich bedaure zutiefst, wenn ich Mitarbeiter:innen mit meinem Verhalten, mit Worten oder Blicken verletzt habe." Er bedaure zudem, dass es ihm nicht gelungen sei, ein offenes, diskriminierungssensibles Klima zu schaffen.
Die "taz" hatte auch berichtet, dass eine frühere Chefdramaturgin des Maxim Gorki Theaters die Kulturverwaltung vor der Ernennung Klaus Dörrs zum Volksbühne-Intendanten vor dessen Verhalten gewarnt hätte. Sie habe am Gorki Theater mit Dörr gearbeitet. Lederer bestätigte, dass damals ein entsprechender Anruf bei der Senatsverwaltung eingegangen sei - allerdings ohne Belege für die erhobenen Vorwürfe. Bereits Anfang 2018 sei er persönlich von einem Mitarbeiter der Volksbühne über Gerüchte informiert worden. Er habe darum gebeten, die betroffenen Frauen zu ermutigen, sich an die Senatsverwaltung zu wenden, was nicht geschehen sei.
Personalentscheidung trotz Gerüchten
Dörr, der ursprünglich als geschäftsführender Direktor vorgesehen war, wurde 2018 zum Intendanten berufen. Lederer betonte, er könne sich in Personalentscheidungen nicht von Gerüchten beeinflussen lassen.
Auch nach der Freistellung Dörrs, die offiziell zum 16. März gilt, soll der Fall nicht erledigt sein. Klaus Lederer verwies darauf, dass am Haus offensichtlich strukturelle Probleme bestünden, die ein Fehlverhalten begünstigten. "Das ist nicht das Ende der Prozesse, die wir eingeleitet haben."
Damit setzt sich die unrühmliche Geschichte der Volksbühne in der Post-Castorf-Ära fort. Von 1992 bis 2017 hatte der streitbare Regisseur Frank Castorf das Haus als Intendant geleitet. An den Plänen seines Nachfolgers Chris Dercon entzündete sich bald darauf massive Kritik, die im September 2017 in eine mehrtägige Besetzung des Hauses gipfelte. Dercon wollte die Bühne als Repertoire- und Ensembletheater auflösen, im April 2018 einigte er sich mit Klaus Lederer auf die Auflösung seines Vertrags - angeblich versüßt mit einer Millionenabfindung.
So teuer dürfte die Trennung von Klaus Dörr nicht werden. Dörr hatte die Intendanz nach Dercons Abschied lediglich interimistisch übernommen. Bereits seit 2019 steht fest, dass der Dramatiker und Regisseur René Pollesch im Sommer 2021 neuer Intendant der Bühne wird.