Khabar Lahariya bringt News ins Dorf
24. Juni 2014Kavita war gerade mal 16 Jahre alt und ging noch zur Schule, als sie heiratete. Die Ehe war nicht glücklich. Sie bekam kaum Anerkennung von der Familie ihres Mannes - das Einzige was wirklich von ihr verlangt wurde, war Kinder zu bekommen. Da Kavita noch sehr jung war, erlitt sie eine Fehlgeburt nach der anderen.
Sie beschloss, die Ehe zu beenden und weiter zu lernen. In Neu Delhi lernte sie das von einer NGO betriebene Bildungszentrum "Nirantar" kennen, das sich für Mädchen- und Frauenbildung einsetzt. Sie nahm an einem Alphabetisierungscamp teil, wo Lesen und Schreiben für Frauen und Mädchen vor allem aus ländlichen Gegenden trainiert wurde. Als das Camp vorbei war, wollten sie und andere Teilnehmerinnen weitermachen: So enstand "Khabar Lahariya".
Auch Poorvi Bharagva, heute Redakteurin bei Khabar Lahariya, erinnert sich gut an die Zeit des Alphabetisierungscamps: "Es wurde eine Miniaktion gestartet, während der die Teilnehmerinnen Geschichten aus ihren Heimatdörfern aufschrieben. Sie schrieben über alles, was ihnen gerade am Herzen lag. Das ist auch bis zu ihren Gemeinden vorgedrungen. Und so dachten sich viele, dass sie das gerne auch etwas offizieller machen würden, in Form einer kleinen Zeitung etwa." Und das Ganze vor allem abseits der Mainstream-Medien. Und so erschien mit Hilfe von Nirantar 2002 tatsächlich die erste Ausgabe der Zeitung.
Die Reporterinnen von Khabar Lahariya hatten anfänglich mit großem Widerstand zu kämpfen. Und der kam ausgerechnet von ihren eigenen Familien: die verheirateten Frauen hatten die größten Schwierigkeiten. Ihre Ehemänner konnten es nur schwer akzeptieren, dass ihre Frauen plötzlich für eine Zeitung arbeiteten, erzählt Bharagva. "Ihr einziges Problem war, wie das denn aussähe für eine Frau, wenn sie nachts nicht nach Hause käme. Oder dass Frauen plötzlich eine andere Arbeit wichtiger fanden, als sich um den Haushalt zu kümmern."
Das hat sich glücklicherweise geändert. Nicht zuletzt durch die Teammitglieder von Khabar Lahariya, die immer wieder in die Dörfer gegangen sind und den Familien der Khabar-Reporterinnen erklärt haben, was sie dort eigentlich tun.
Es gab noch eine weitere Hürde: In den ländlichen Gemeindeverwaltungen sitzen fast ausschließlich Männer und die haben laut Poorvi Bharagva eine "spezielle" Art, mit Frauen zu reden, auch wenn sie sich als Journalistinnen vorstellen: "Sie machen den Frauen auf eine ziemlich herablassende Art klar, dass sie sie nicht ernst nehmen."
Dazu kommt außerdem, dass es in manchen Landstrichen fast unmöglich für die Frauen ist, sich fortzubewegen. Mobilität aber ist für sie das Wichtigste - schließlich müssen sie auch weiter entfernte Dörfer erreichen können, um an neue Stories zu kommen.
Medialer Wachhund vom Lande
Allen Hindernissen zum Trotz ist Khabar Lahariya heute zu einer viel gelesenen Wochenzeitung für die beiden nordwestlichen Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh geworden. Dort gibt es sie in gut 600 Dörfern. Sie erscheint zudem in den lokalen Sprachen dieser Regionen. Jede Woche gibt es eine achtseitige Ausgabe. die Themen reichen vom dringenden Bedarf eines Entwässerungskanals bis zu medizinischen Notständen und Gewalt gegen Frauen. Das Niveau, auf dem die Reporterinnen schreiben, ist unterschiedlich. "The Bobs"-Jurymitglied Rohini Lakshané sieht darin Vorteile: "Viele Leute in diesen Regionen, die Khabar Lahariya lesen, haben erst sehr spät Lesen und Schreiben gelernt. Viele der Khabar-Reporterinnen auch. Sie aber lernen immer weiter, teilen ihr Wissen und treiben so die Alphabetisierung voran."
Die Webseite von Khabar Lahariya hat mittlerweile gut 80.000 regelmäßige Nutzer. Zusätzlich gibt es auch eine englischsprachige Online-Ausgabe. Die Leser sind Bauern, Beamte, Regierungsmitarbeiter, Journalisten, Sozialarbeiter und Hausfrauen.
Khabar Lahariya ist ein Paradebeispiel für den Austausch zwischen Medien und Gesellschaft: Die Autorinnen kommen selbst aus der Mitte der Gesellschaft, bringen die Themen, die die Menschen wirklich vor Ort bewegen und spielen sogar die Rolle eines medialen Wachhundes. Sie können aufklären und Wissen verbreiten. Denn wer viel weiß, kennt seine Rechte besser. Und das kommt vor allem den Frauen in den ländlichen Gebieten zugute.
Die Leistung der engagierten Reporterinnen hat die Jury der Bobs in diesem Jahr überzeugt. Khabar Lahariya erhält den Global Media Forum Award des DW-Preises für Onlineaktivismus.