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Müllkippe Meer

17. März 2010

Es lässt sich nach Belieben formen, ist leicht, haltbar und vielseitig einsetzbar: Plastik. Doch leider ist Plastik auch fast unverwüstlich, voller Schadstoffe – und mittlerweile ein Risiko für die Weltmeere.

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Ein Mädchen durchsucht den Müll am Strand von Mumbai in Indien während Fischerboote im Hintergrund auf dem Wasser fahren (Foto: AP)
Angeschwemmter Müll am Strand von Mumbai in IndienBild: AP

Seit Jahrtausenden ist das Meer für Menschen eine Quelle für Nahrung und einer der wichtigsten Transportwege. Doch die Meere werden auch als Müllkippe missbraucht: Der Abfall der Zivilisationen landet erst einmal in den Flüssen, dann im Meer, wird von der Strömung fortgetragen und, wie das Sprichwort es will: Aus den Augen, aus dem Sinn. Zumindest war es früher so, als Müll aus organischem Material bestand, das auch im Meer abgebaut werden konnte.

Hartnäckiger, neuer Müll

Gegenstände aus Plastik treiben im Meer (Foto: AP)
Unverwüstlicher AbfallBild: AP

Die Zeiten haben sich aber geändert, erklärt Thilo Maack von der Umweltorganisation Greenpeace: "Es gibt fünf große Meeresstrudel in den Weltmeeren und dort konzentriert sich der Müll, den wir Menschen vor allem in Form von Plastikprodukten dorthin eintragen." In den allermeisten Fällen geschehe das durch den Müll, der an Land entsteht. "Man schätzt, dass etwa 80 Prozent durch die Flüsse und durch den Wind eingetragen werden. Die restlichen 20 Prozent kommen von dem weltweiten Schiffsverkehr.“

Der Meeresbiologe hat 2006 an einer Expedition mit dem Greenpeace-Schiff "Esperanza" teilgenommen, um die schwimmenden Müllhalden zu messen und zu analysieren. Vor allem der Plastikmüll mache den Meeren und ihren Bewohnern zu schaffen - und: Er sei allgegenwärtig, erzählt Thilo Maack. "Obwohl man sich das nicht vorstellen kann, dass es so ist wie eine Müllkippe an Land, wo Möwen drüberkreisen und Ratten sich drin tummeln, ist es doch so. Wir haben Tauchgänge gemacht und man kann im Gegenlicht der Sonne immer diese kleinen, grünen, blauen und roten, gelben Sprenkel sehen, die von Plastikprodukten herrühren. Und sie sind, viele Hundert Seemeilen von Land entfernt, immer da.“

Verheerende Folgen

Unzählige Meerestiere und Seevögel verenden qualvoll, weil sie sich in verlorenen Kunststoffnetzen, ins Meer geworfenen Plastiktüten und Nylonseilen verheddern. Oder weil sie den immer kleiner werdenden Müll fressen: "Es gibt viele Tierarten und Seevogelarten, die sich ausschließlich von dem ernähren, was sie an der Wasseroberfläche treibend finden können oder was sie sich in wenigen Metern Wassertiefe ertauchen können. Und das sind sehr oft Plastikprodukte: alte Feuerzeuge, Reste von Zahnbürsten, Verschlüsse von Plastikflaschen und so weiter." Die Tiere füllten sich den Magen - aber nicht mit echter Nahrung, sondern mit Plastik. So verhungern oder verdursten sie sehr oft.

Fische schwimmen inmitten von Müll im Ozean vor den Philippinen (Foto: AP)
Nicht gefressen werden, sondern an der Nahrung sterbenBild: AP

Doch auch die Chemikalien, die über die Nahrungskette aufgenommen werden, sind nicht unbedenklich. Späte Rache der Natur: Diese Schadstoffe, die zum Teil im Verdacht stehen, krebserregend zu sein oder Hormonstörungen zu verursachen, lassen sich auch bereits im Menschen feststellen.

Endlager menschlicher Organismus?

Wir Menschen stünden eben am Ende der Nahrungskette, wie der österreichische Filmemacher Werner Boote in seinen Recherchen für den Dokumentar-Film "Plastic Planet" feststellen musste. Er ließ sein eigenes Blut an einer Universität im US-Staat Missouri auf Schadstoffe testen. "Ich wusste von Studien schon vorher, dass jeder von uns Plastik im Blut hat. Ich wusste, dass ich ein bisschen Bisphenol A im Blut haben werde, aber dass es dann so viel war, da war dann jeder schockiert. Wir haben dann zwei Jahre später das Blut des ganzen Teams getestet, und es hat sich herausgestellt, dass jeder eine Menge von Stoffen im Blut hatte, die vom Kunststoff kommen.“

Das allein, so die ehemalige EU-Umweltkommissarin Margot Wallström, wäre Grund genug, um regelmäßige Analysen der Inhaltsstoffe durchzuführen. Doch es gibt Hunderttausende von Substanzen und das Kontrollsystem sei mehr als mangelhaft, kritisiert Wallström. "In den vergangenen zehn Jahren haben wir gerade elf Substanzen untersucht! Es ist ganz klar, dass dieses System nicht funktioniert!"

Nicht erst handeln, wenn es zu spät ist

Thilo Maack bringt es auf den Punkt und fordert auch politische Konsequenzen: "Wir wissen viel zu wenig über die Auswirkungen von diesen endokrin wirksamen Substanzen und da fordern wir als Umweltschützer und ich als Greenpeace-Meeresbiologe auch, dass es da zu einer Umkehr der Beweislast kommen muss. Diejenigen, die diese Stoffe produzieren, müssen nachweisen, dass diese Stoffe ungiftig sind. Da ist etwas vollkommen falsch in der Rechtsprechung und das muss ganz, ganz dringend geändert werden."

Chinesische Fabrikarbeiter produzieren am Laufband Spielzeug aus Plastik (Foto: AP)
Gefährlicher Spaß? Spielzeug aus PlastikBild: AP

Vor allem, so der Meeresbiologe von Greenpeace, muss schon bei der Entstehung des Mülls gehandelt werden. Und das heißt, dass schon bei der Produktion der gesamte Lebenszyklus des Kunststoffs berücksichtigt werden muss. "Wir müssen sehen, dass Plastik nur erlaubt sein darf, wenn es recycelt werden kann. Weil, wenn die Badewanne überläuft, dann fange ich ja auch nicht an aufzuwischen, sondern drehe zunächst mal den Hahn ab, so dass die Badewanne nicht weiter überläuft. Und das ist, glaube ich, eines der größten Probleme."

Autorin: Nicole Scherschun / Helle Jeppesen
Redaktion: Judith Hartl