Münster gibt kein Geld für fossile Industrie
10. November 2015Es ist ein Beschluss mit Signalwirkung, auch für andere Kommunen. Die Stadt Münster hat beschlossen, ihre Kapitalanlagen aus klimaschädlichen Energien abzuziehen. Den Antrag hatten Grüne und SPD am 5. November gemeinsam eingebracht. Die Kommunalpolitiker von CDU und FDP lehnten den Beschluss ab, wurden aber überstimmt.
Vom 1. Januar 2016 an gelten für die Finanzanlagen 300.000 Einwohner-Stadt ethische und ökologische Grundsätze. Beschlossen wurde, dass die Rücklagen für die Altersvorsorge der kommunalen Angestellten und auch sonstige Investitionen nicht mehr in Fonds und Unternehmen investiert werden dürfen, die mit klimaschädlichen Energien ihre Gewinne machen. Auch die Beteiligung an Unternehmen, die mit Kinderarbeit, Waffen und Atomkraft Geld verdienen, ist ausgeschlossen.
Mittelfristig verfolgt die Stadtverwaltung zudem weitergehende ethische Grundsätze bei der Geldanlage. Dazu gehört der Ausschluss von Beteiligungen an Firmen, die Pflanzen und Saatgut gentechnisch verändern, Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika durchführen und denen eklatante Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen wurden.
Verantwortung für Klima und Investment
Lokalpolitiker von SPD und Grünen sehen in der neuen Anlagepolitik einen wichtigen Schritt für den lokalen und globalen Klimaschutz. Münster erlebte im Juli 2014 ein Extremwetter mit schweren Regenfällen und Sturm, zwei Menschen verloren dabei ihr Leben und große Teile der Stadt wurden verwüstet.
Diese Erfahrung und "der Blick in andere Regionen der Erde lässt erahnen, wie schlimm die Folgen der Klimakatastrophe noch werden können, wenn nicht schnell umgesteuert wird", heißt es in der gemeinsamen Begründung von SPD und Grünen zum Ratsbeschluss. "Wir im globalen Norden haben von der Industrialisierung auf Kosten des Klimas profitiert und deshalb eine besondere Verantwortung."
Der beschlossene Rückzug aus Unternehmen, die mit fossilen Energien ihr Geld verdienen, ist nach Einschätzung der Befürworter aber auch ökonomisch sinnvoll. "Sollten wirksame internationale Klimaschutzregeln beschlossen werden, so müssen in diesem Marktbereich erhebliche Kursverluste erwartet werden", so die Begründung.
Die Kommunalvertreter von CDU und FDP lehnten die neue ethische Anlagepolitik ab. "Der Bogen des guten Gewissens sei überspannt", sagte CDU-Fraktionschef Stefan Weber in der Münstersche Zeitung. Gemäß der neuen Anlagerichtlinien müssten "alle DAX-unternehmen" künftig außen vor bleiben. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschefin Carola Möllermann-Appellhof. Solange der Staat die Produktion von Rüstungsgütern erlaube, müsse es auch erlaubt sein, in diese Unternehmen zu investieren.
Münster wird Teil einer globalen Bewegung
Münster ist die erste Stadt in Deutschland, die nun eine klimafreundliche Anlagepolitik beschlossen hat. Politiker und Initiativen in anderen Kommunen wollen ähnliche Beschlüsse. "Wir bekommen viele Anfragen, so zum Beispiel aus Berlin, Bonn, Köln, Hannover, Bremen und Freiburg. Das Interesse ist deshalb groß, weil man mit diesem Hebel über den Finanzsektor Druck und Veränderung erreichen will", erklärt Otto Reiners, Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat von Münster.
Angestoßen wurde der Beschuss von einer lokalen Bürgerinitiative, die sich für den Abzug von Vermögen aus der fossilen Brennstoffindustrie engagiert. Sie gehört zur sogenannten Divestment-Bewegung 350.org, einem globalen Netzwerk von Universitäten, Städten, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen. Initiiert wurde die Bewegung vom US-Journalisten und Umweltaktivisten Bill McKibben. Im letzten Jahr erhielt er dafür den Alternativen Nobelpreis.
Anlagen der Kohle-, Erdöl- und Erdgas-Industrie geraten inzwischen zunehmend auch von Großinvestoren unter Druck. Der Rockefeller-Brother-Fund, die Bank of America und die Bank Crédit Agricole beschlossen ebenfalls einen Ausstieg aus Kohle-Investionen, beziehungsweise fossilen Energien. Für die bisherige größte Aktien-Umschichtung sorgte eine Entscheidung des norwegischen Parlaments im Juni: Beschlossen wurde, dass der staatliche Pensionsfonds seine Beteiligung an Bergbaufirmen und Stromkonzernen verkaufen musss, deren Kohleanteil am Umsatz bei über 30 Prozent liegt.