Nahost aktuell: Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft
Veröffentlicht 24. November 2023Zuletzt aktualisiert 24. November 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Feuerpause in Gaza - erste Geiseln sollen freigelassen werden
- Raketenalarm im israelischen Grenzgebiet auch nach Feuerpause
- Israel hält am Ziel der Hamas-Zerstörung fest
- Baerbock wirbt für Zwei-Staaten-Lösung
Nach Beginn der Feuerpause in den Kämpfen zwischen der terroristischen Hamas und Israel ist nach Medienberichten eine erste Gruppe israelischer Geiseln von der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen dem Roten Kreuz übergeben worden. 13 Frauen und Kinder seien der Hilfsorganisation übermittelt worden, berichteten israelische Medien übereinstimmend. Die Übergabe sei in einem Krankenhaus in Chan Junis im Süden des Gazastreifens erfolgt. Die Geiseln seien nun unterwegs zum Rafah-Grenzübergang nach Ägypten. Danach sollten sie der israelischen Armee übergeben werden. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Frauen und Teenager aus israelischen Gefängnissen entlassen, wie das Außenministerium Katars mitteilte.
Der thailändische Regierungschef Srettha Thavisin gab die Freilassung von zwölf thailändischen Geiseln bekannt, zusätzlich zu den israelischen Kindern und Frauen. "Es wurde von der Sicherheitsbehörde und dem Außenministerium bestätigt, dass zwölf thailändische Geiseln bereits freigelassen wurden", schrieb Srettha im Onlinedienst X.
Unklar, wie viele Geiseln noch leben
Die Menschen waren am 7. Oktober von der Hamas entführt worden. Damals waren hunderte Terroristen der Hamas nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Nach Angaben der israelischen Regierung wurden etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, darunter auch Staatsangehörige anderer Länder wie Thailand, die USA, Nepal, Frankreich und die Ukraine.
Nach der Freilassung dürfte zunächst nur wenig über die Geiseln und ihr Schicksal bekannt werden. Das israelische Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. Psychologen gehen davon aus, dass besonders die Kinder nach sieben Wochen Geiselhaft schwer traumatisiert sein könnten. Sie hatten am 7. Oktober schlimmste Gewalt miterlebt. Wie viele der rund 240 entführten Menschen noch am Leben sind und wo genau sie im Gazastreifen festgehalten werden, ist unklar.
Im Gazastreifen gilt seit Freitagmorgen 07.00 Uhr Ortszeit (06.00 Uhr MEZ) eine viertägige Waffenruhe zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Das Golfemirat Katar, das maßgeblich in dem Krieg vermittelt, erklärte, sobald die Feuerpause greife, könnten humanitäre Hilfsgüter in das abgeriegelte Palästinensergebiet gebracht werden. Ziel Katars sei es, dass aus der Waffenruhe eine permanente Feuerpause werde.
Nach Angaben eines Sprechers des katarischen Außenministeriums sollen dann am Freitagnachmittag gegen 16.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) die ersten Geiseln aus der Hand der Hamas freikommen. Es handele sich um 13 Frauen und Kinder. Das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu erklärte, "eine erste Liste" mit Namen von Geiseln erhalten zu haben und mit den Familien aller Verschleppten in Kontakt zu stehen. Zudem sollen an diesem Freitag auch palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Während der Waffenruhe sollen insgesamt 50 Geiseln - Frauen sowie Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren - von der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug will Israel 150 palästinensische Häftlinge auf freien Fuß setzen. An diesem Freitag sollen palästinensischen Angaben zufolge zunächst 39 Gefangene aus israelischer Haft freikommen. Dabei würde es sich um 24 Frauen und 15 männliche Jugendliche handeln, teilte ein Vertreter der Palästinenser mit.
Täglich 200 Lastwagen mit Hilfsgütern
Über den ägyptischen Grenzübergang Rafah sollen während der Waffenruhe täglich 130.000 Liter Diesel und vier Lastwagen-Ladungen mit Gasflaschen in den Gazastreifen gebracht werden. Insgesamt würden pro Tag 200 Lkw mit Hilfsgütern in das Palästinensergebiet fahren, teilten die ägyptischen Behörden in Kairo mit. Die ersten LKW mit Hilfslieferungen haben bereits die Grenze passiert.
Raketenalarm im israelischen Grenzgebiet auch nach Feuerpause
Auch nach Inkrafttreten einer Feuerpause hat es am Morgen im israelischen Grenzgebiet Raketenalarm gegeben. Die israelische Armee teilte mit, Warnsirenen hätten in Gemeinden entlang des Gazastreifens geheult. Bei früheren Gaza-Kriegen hatte es zu Beginn von Waffenruhen beider Seiten immer wieder Verstöße gegeben.
Armeesprecher: Bereiten uns auf die nächste Etappe vor
Die Kontrolle über die nördliche Hälfte des Gazastreifens ist nach Angaben des israelischen Militärs "nur die erste Etappe" auf dem Weg zur Zerstörung der militant-islamistischen Palästinenserorganisation. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Armeesprecher Daniel Hagari sprach bei einer Pressekonferenz von einem "langen Krieg". In den kommenden Tagen werde man sich auf die Planung und Ausführung der nächsten Etappen des Krieges konzentrieren.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant erklärte, nach dem Ende der Waffenruhe werde die Armee ihre intensiven Kämpfe in Gaza für mindestens zwei Monate fortsetzen. Die Einsätze im Gazastreifen dauerten so lange an, bis von dort aus keine militärische Bedrohung mehr ausgehe.
Zuvor hatte ein Sprecher der Essedin-al-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas, in einer vom arabischen Fernsehsender Al-Dschasira ausgestrahlten Videoansprache zur Eskalation des Konflikts mit Israel an allen Fronten aufgerufen.
Baerbock wirbt für Zwei-Staaten-Lösung
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat nochmals das Recht Israels auf Selbstverteidigung betont. Israel werde niemals in Sicherheit leben können, "wenn dieser Terror nicht bekämpft wird", sagte sie am Donnerstagabend beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe. Das Land kämpfe gegen die Hamas und nicht gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser.
Es werde aber ebenso keine Sicherheit für Israel geben, wenn nicht auch die Palästinenserinnen und Palästinenser eine Zukunftsperspektive hätten. Es sei wichtig, "über morgen zu reden", auch wenn heute eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser weit weg erscheine, mahnte die Außenministerin. Das Ringen um eine Friedenslösung dürfe nicht aufgegeben werden.
Baerbock kritisierte gleichzeitig jüdische Siedler, die im israelisch besetzten Westjordanland "Palästinenser vertreiben oder gar töten". Die Gewalt jüdischer Siedler sei nicht im Sicherheitsinteresse Israels, betonte die Außenministerin.
Neugeborene in Israel nach angegriffenen Orten benannt
In Israel haben Dutzende Eltern ihre neugeborenen Kinder nach Orten benannt, die am 7. Oktober bei dem Terrorüberfall der Hamas angegriffen worden waren. Wie das Innenministerium mitteilte, wurden mindestens 45 seither auf die Welt gekommene Babys nach dem nahe dem Gazastreifen gelegenen Kibbuz "Beeri" benannt. 49 Jungen und ein Mädchen bekamen demnach in Anlehnung an die angegriffenen Kibbuzim Nir Oz und Nahal Oz den Namen "Oz", der auf Hebräisch "Stärke" bedeutet.
Acht weitere Neugeborene erhielten den Namen Nir. Drei Mädchen heißen Nova - im Gedenken an das gleichnamige Musikfestival in der Wüste Negev, bei dem die Hamas ein Massaker verübt und mindestens 270 Menschen ermordet hatte.
Am 7. Oktober drangen hunderte Hamas-Terroristen nach Israel ein und verübten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten. Nach Angaben der israelischen Regierung töteten sie etwa 1200 Menschen und verschleppten rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Als Reaktion darauf begannen die israelischen Streitkräfte damit, Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus massiv anzugreifen.
Laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium sollen seither mehr als 14.800 Menschen im Gazastreifen getötet worden sein, darunter mehr als 5800 Kinder. Diese Zahlen lassen sich unabhängig nicht überprüfen.
se/wa/as/sti/NO (dpa, rtr, afp, ap)