Namibia: Wasserstoff-Ambitionen nehmen Form an
6. September 2024"Vor drei Jahren hielten es die Leute noch für eine verrückte Idee", so der namibische Minister für Energie und Bergbau, Tom Alweendo, Anfang September in Windhoek. "Aber mit jedem Meilenstein, den wir erreichen, können wir hoffentlich mehr Menschen überzeugen." Die Rede ist von den Fortschritten der namibischen Wasserstoff-Ambitionen. Das Land will zu einem zentralen Wasserstoff-Standort im südlichen Afrika werden. Aktuell gibt es acht Projekte in verschiedenen Entwicklungsstadien. Noch in diesem Jahr könnten drei davon die Produktion aufnehmen. Alle drei haben ihr Startkapital aus Deutschland erhalten.
Zum Beispiel das HyIron-Projekt. Dort entsteht die nach eigenen Angaben erste emissionsfreie Eisen-Produktionsanlage der Welt. 15.000 Tonnen Eisen sollen mithilfe von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 produziert werden. Finanziert wird das Projekt unter anderem mit 13 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Beim Daures Green Hydrogen Village wiederum soll grünes Ammoniak zur Herstellung von Düngemitteln für den afrikanischen Markt gewonnen werden. Hier hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 12,2 Millionen Euro Startkapital beigesteuert. Ein kleiner Teil davon fließt auch in eine Forschungskooperation mit der Universität von Namibia (UNAM) und der Universität Stuttgart. Das Pilotprojekt soll zunächst 100 Tonnen grünes Ammoniak jährlich produzieren.
Ungleicher Wettbewerb
Beide Projekte verbindet aktuell aber vor allem eins: Obwohl das Interesse an den Produkten groß ist, liegen noch keine bindenden Abnahmeverträge vor. "Graue", also mit fossilen Brennstoffen hergestellte Produkte, sind aktuell noch deutlich günstiger. "Hier müssen wir für diejenigen, die in den Markt investieren, auch Wege finden, wie wir deren Risiko auf eine Wettbewerbsfähigkeit reduzieren", fordert Jochen Flasbarth. Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kellner vom BMWK zum Global African Hydrogen Summit in der namibischen Hauptstadt Windhoek angereist.
Eine Möglichkeit dafür ist das deutsche Förderinstrument "H2Global". Dabei handelt es sich um einen Bieterwettbewerb für grüne Wasserstoffprodukte. Unternehmen geben dabei an, wie viel sie für die Produkte zahlen würden. Der deutsche Staat finanziert dann den Meistbietenden die Lücke zu den eigentlichen Produktionskosten. "Das wird aber für die großen Ammoniak-Produktionen, beispielsweise in Namibia, die hier geplant sind, nicht reichen", räumt Flasbarth im Gespräch mit der DW ein. Er bringt daher eine verpflichtende Quotenregelung ins Spiel, um Unternehmen in Namibia Investitionssicherheit zu bieten: So könnten deutsche Unternehmen beispielsweise verpflichtet werden, einen festgelegten Teil ihres Bedarfs an bestimmten Ressourcen aus grüner Produktion zu beziehen.
Enormes Potenzial - wenn die Abnahme stimmt
Auch Kellner spricht gegenüber der DW von notwendigen Abnahmegarantien, um Projekte hochskalieren zu können. Bei HyIron beispielsweise hofft man, bereits im kommenden Jahr eine Entscheidung zur Vergrößerung der Produktion auf jährlich 200.000 Tonnen Eisen fällen zu können. "Nach oben sind keine Grenzen gesetzt", erklärt HyIron-Geschäftsführer Johannes Michels gegenüber der DW. Je größer das Projekt, desto weniger ist man auf Hilfsinstrumente aus den Abnehmerländern wie Deutschland angewiesen. "Unser Ziel ist, auch auf mittlere Frist komplett wettbewerbsfähig zu werden", so Michels weiter. Auch bei Daures liegen Pläne für eine schrittweise Ausweitung der Produktion vor: Eine ganze Million Tonnen Ammoniak jährlich visiert das Unternehmen bis 2032 an.
Einigkeit besteht in der Bundesregierung darüber, dass Namibia so ein zentraler Baustein der Dekarbonisierung westlicher Wirtschaften werden soll. BMWK-Staatssekretär Kellner sieht dabei Gewinnmöglichkeiten auf beiden Seiten. Konkret heißt das: Deutschland bekommt grünen Wasserstoff und seine Derivate. Und Namibia bekommt Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Damit stößt man bei der namibischen Regierung auf Gegenliebe. Vize-Präsidentin Netumbo Nandi-Ndaitwah erklärte zum Auftakt des Wasserstoff-Gipfels in Windhoek: "Namibia ist offen für Geschäftsbeziehungen, die bedeutende Auswirkungen auf unsere Entwicklung haben und gleichzeitig den Investoren zugutekommen."
Kellner: Kein neokoloniales Unterfangen
Derweil äußern Kritiker immer wieder Bedenken, dass der Export von grünen Wasserstofferzeugnissen aus Namibia neokolonialistische Züge annehmen könnte. Kellner sieht diese Gefahr nicht. Gegenüber der DW sagt er: "Was geht, sind dann veredelte Produkte, die rausgehen, und das schafft natürlich hier auch Wertschöpfung, deswegen ist es eben nicht kolonial, sondern es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe."
Und es gibt auch weiterhin Geld aus Deutschland und Europa. Die deutschen Staatssekretäre Flasbarth und Kellner, sowie die amtierende EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, haben im Rahmen des Wasserstoff-Gipfels in dieser Woche gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden und Belgien weitere Zuschussvereinbarungen für Namibia unterzeichnet. Insgesamt 36,9 Millionen Euro sollen demnach in nicht näher genannte Projekte zum Aufbau von Wasserstoff-Infrastruktur fließen, die Durchführung von Sozial – und Umweltstudien oder die Stärkung der regulatorischen Rahmenbedingungen in Namibia.
Energie- und Bergbauminister Tom Alweendo, zeigt sich hierauf dankbar gegenüber den europäischen Partnern. Gleichzeitig mahnt er an: "Ich kann nur an Sie appellieren: lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir gewissenhaft arbeiten, damit diese Programme, die vor uns liegen, dem namibischen Volk zugutekommen."