Nepal: Deutsche helfen im Erdbebengebiet
5. Juli 2015Die Anfahrt in das nepalesische Gebirgsdorf ist abenteuerlich. Ohne Allrad geht nichts. Die "Buckelpiste" schlängelt sich schmal und steil die Berge hoch. Ab und zu liegen Geröll und Erde im Weg.
Norbert Grobbel sitzt auf dem Beifahrersitz im Führerhaus des kleinen Trucks und wird durchgeschüttelt. Hinten auf der offenen Ladefläche stehen sechs Nepalesen. Sie halten sich an den Gitterstäben des Trucks fest. Links geht es viele Hundert Meter in die Tiefe, gesichert ist die Straße nicht - nichts für schwache Nerven. Der Truck ist beladen mit Wellblechen. Damit will Norbert Grobbel einer jungen Witwe und ihren zwei Kindern eine Schutzhütte bauen. "Bald beginnt die Regenzeit. Bis dahin wollen wir so vielen Menschen wie möglich helfen", sagt der 56-Jährige.
Privathelfer aus Deutschland
Grobbel ist einer der beiden Hauptinitiatoren eines privaten Hilfsprojekts für die Erdbebenopfer in Nepal. Er und sein Freund Johannes Börger aus dem Sauerland haben inzwischen mehr als 200.000 Euro Spenden gesammelt - in Eigeninitiative. Damit das Geld auch bei den Opfern ankommt, sind sie selbst nach Nepal gereist, um vor Ort zu helfen. Sie sprechen die einheimische Sprache und kennen sich gut aus, denn beide haben früher als Entwicklungshelfer in dem Land gearbeitet. Die beiden werden begleitet von drei weiteren deutschen Helfern: einem Maurer, einem Klempner und einer Krankenschwester. Mit den Spendengeldern aus Deutschland bauen sie in verschiedenen Dörfern zum Beispiel Schutzhütten und kümmern sich um die Wasserversorgung.
"Viele Menschen schlafen unter freiem Himmel, entweder weil sie Angst vor weiteren Erdbeben haben oder weil ihre Häuser zerstört sind", sagt Norbert Grobbel, der gerade aus dem Truck aussteigt. Die Straße ist nämlich plötzlich zu Ende. Während die anderen Helfer in weiteren Dörfern unterwegs sind, ist Norbert Grobbel auf dem Weg nach Mahankal Chaur, einem 4000-Seelen-Dorf mitten in Nepal, rund 1400 Meter hoch. Er hat ein Team aus sechs Nepalesen zusammengestellt, das ihm bei der Arbeit in den Dörfern hilft und dafür bezahlt wird. Die Männer nehmen Werkzeuge wie Akkuschrauber, Nägel, Säge und Schüppe von der Ladefläche. Auch die Bleche müssen mit - es geht zu Fuß über einen Trampelpfad weiter, 300 Meter den Berg hoch.
Starke Zerstörung
Das Erdbeben hat viele Häuser zerstört. Von einigen stehen noch die Grundmauern, daneben liegen Schutthaufen aus Steinen. An manchen Gebäuden ziehen sich lange zackige Risse durch das Gemäuer. Die Regierung oder andere Organisation waren noch nicht hier: "Die Regierung versucht zwar zu helfen, aber das geht zu langsam. Außerdem glaube ich - und das haben mir auch viele Nepalesen gesagt -, dass ein großer Teil der Gelder, die der Regierung für die Soforthilfe zur Verfügung stehen, gar nicht bei den Bedürftigen ankommt. Es gibt viele Schlupflöcher, durch die sich Verantwortliche bereichern. Kontrolle und Transparenz? Eher Fehlanzeige!" Im Land sind viele Hilfsorganisationen unterwegs, aber die deutschen Privatmänner helfen dort, wo noch niemand war.
Norbert Grobbel und sein Team werden vom Dorfvorsteher in Mahankal Chaur begrüßt, der sie zu der Witwe führt, die gerade mit ihrem Baby auf dem Arm aus ihrer Hütte kommt. Sie heißt Somu Tamang und ist 30 Jahre alt. Ihr Mann ist vor einem halben Jahr von den Klippen gestürzt. Seit dem Erdbeben hat sie kein Haus mehr. Ihre Unterkunft besteht aus einem schiefen Bambusgerüst, über das als Dach eine dünne Plastikplane gespannt ist. Die Wände sind aus dichtem Gestrüpp, der Boden in der Hütte aus Lehm und Kuhdung. An der hinteren Wand steht ein kleines Bett mit Moskitonetz.
Neues Zuhause in vier Stunden
Geld für Bleche für eine bessere Unterkunft haben Somu Tamang und ihre Verwandten nicht. Daher freuen sie sich über die Helfer, die sofort los legen. Die Plastikplane kommt weg, das Bambusgerüst wird erneuert und standfest gemacht. Mit den Wellblechen bauen sie ein wasserdichtes Dach und eine Tür. Neugierig schauen ein paar Männer aus dem Dorf vorbei; manche packen freiwillig mit an. Sie sind sehr interessiert an dem Akkuschrauber, den Norbert Grobbel mitgebracht hat und mit dem er gerade zwei Bambusstangen zusammen schraubt.
Nach vier Stunden ist die Hütte fertig. Norbert Grobbel ist zufrieden. "Es ist ein gutes Gefühl, helfen zu können. Vor allem, weil unser Geld direkt bei den Erdebenopfern ankommt und nicht in der Bürokratie verloren geht." Als Somu Tamang ihm dankt, steigen ihm die Tränen in die Augen. Das Leid der Menschen geht ihm nahe. Zusammen mit dem Dorfvorsteher schaut er sich den Rest des Dorfes an. Er trifft eine alte Frau, die mit ihren gesamten Habseligkeiten unter einer alten, orangefarbenen Plastikplane sitzt und näht. Auch sie hat kein Haus mehr. "Wir werden noch mal herkommen und auch ihr und anderen Dorfbewohnern helfen", sagt Grobbel. Die nächste Nepalreise findet noch im Herbst statt.