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Politik

Neue Kämpfe in der Zentralafrikanischen Republik

Martina Schwikowski
23. August 2017

In der Zentralafrikanischen Republik eskaliert die Gewalt. Die Vereinten Nationen warnen vor einem Völkermord, doch ihre Truppen können die Gewalt nicht stoppen. Hilfsorganisationen sind am Ende ihrer Kräfte.

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Eine Gruppe Männer mit Gewehren in den Händen marschiert durch ein Dorf
Anti-Balaka-Rebellen bei einer Offensive gegen die SelekaBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

So etwas wie ein normales Leben gibt es in der Zentralafrikanischen Republik nicht mehr. In vielen Landesteilen gehörten Gewalt und Vertreibung zum Alltag, die Menschenrechtslage ist katastrophal. Diese Woche flammten erneut Kämpfe zwischen muslimischen und christlichen Rebellen auf, die das bitterarme Land im Herzen Afrikas beherrschen. Die Brutalität alamiert auch internationale Hilfsorganisationen, die vor Ort aktiv sind. Nach eigenen Angaben sind die Helfer am Ende ihrer Kräfte. "Wir können nichts mehr tun", schrieben fünf internationale Hilfsorganisationen am 14. August in einem offenen Brief an UN-Generalsekretär Antonio Gutteres.  "Wir sind nicht fähig, in einem Land zu operieren, in dem wir ständig Zielscheibe sind und unsere Mitarbeiter angegriffen werden", heißt es in ihrem Schreiben weiter.

Diamanten heizen Konflikt an

Dabei ist jeder zweite Bewohner des Krisenstaats auf Hilfe angewiesen. Die Zentralafrikanische Republik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt - auf dem UN-Entwicklungsindex belegt sie den letzten Platz. Seit Jahren bekämpfen sich muslimische Seleka-Rebellen und die christlichen Anti-Balaka Milizen. Weder Zivilisten noch UN-Soldaten bleiben von den Kämpfen verschont. In diesem Jahr sind bereits über 800 Zivilisten getötet und mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben worden.  Der Konflikt droht weiter zu eskalieren: „Die Frühwarnzeichen eines Völkermords sind vorhanden. Wir müssen jetzt handeln", warnte UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien Anfang August.

Der Eingang eines Steingebäudes
Ein Krankenhaus, in dem vor wenigen Tagen dutzende Zivilisten von Seleka-Kämpfern ermordet wurdenBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Menschenrechtsorganisationen fordern daher mehr Einsatz von den UN-Truppen im Land. "Das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen ist besorgniserregend. Es liegt jetzt in den Händen der UN, die Bedingungen für einen Dialog zwischen diesen beiden Rebellengruppen zu schaffen, die Gewalttäter zur Verantwortung zu ziehen und einen Prozess der Entwaffnung zu starten", sagt Lewis Mudge von Human Rights Watch im DW-Interview.

Mudge formuliert ein hohes Ziel, aber die Lage scheint derzeit fast aussichtslos. Trotz der Präsenz von 12.500 UN-Soldaten haben die Rebellen nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen etwa 70 Prozent des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Truppen der früheren Kolonialmacht Frankreich und der Afrikanischen Union waren 2014 in die Zentralafrikanische Republik einmarschiert, um den Milizen-Terror zu stoppen. Später kamen die UN-Blauhelme dazu. "Die UN-Intervention ließ jedoch den Warlords die Kontrolle über den Nordosten. Sie kämpfen dort um den Gebietsanspruch des großen Diamantengürtels bei Bria und wollen ihre wirtschaftlichen Interessen sichern", sagt Paul Melly von der britischen Denkfabrik Chatham House im DW-Gespräch. Rivalisierende Fraktionen sorgten für eine Spaltung von Seleka:  Ihr Militärchef Noureddine Adam führt jetzt eine „Volksfront für die Wiedergeburt Zentralafrikas" (FPRC).

Weiße Panzerfahrzeuge mit der Aufschrift "UN" fahren durch ein Flüchtlingslager
Die UN-Truppen schaffen es nicht, die Kämpfe zu beendenBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Regierung ist zu schwach

Auch die Regierung von Präsident Faustin Touadéra, seit März 2016 im Amt, hat die Gewalt nicht beendet. "Die Regierung ist schwach und übt keinen Druck aus", sagt Melly. "Sie versteht nicht, die Rebellenführer in die regierungspolitischen Machtstrukturen durch Verhandlungen einzubinden." Ein Sondergericht zur Verurteilung von Tätern ist eingerichtet worden, aber noch nicht aktiv. "Solange die Rebellen keinen Konsequenzen zu fürchten haben, werden sie die Kämpfe nicht beilegen."

Ein im Juni geschlossener Friedensvertrag zwischen der Regierung und mehreren Rebellengruppen wurde durch schwere Kämpfe sofort wieder gebrochen. "Er war nicht das Papier wert, auf dem das Abkommen geschrieben stand", sagte Mudge. Nahe Bria, nordöstlich der Hauptstadt Bangui, stießen nur wenige Tage später feindliche Truppen aufeinander. Mehr als 100 Menschen starben bei den Kämpfen zwischen beiden Rebellengruppen.

Derzeit sei der einzige Weg, mehr Verstärkung für die UN-Truppen zu gewinnen. "Alle sind sich einig, dass sie ihr Mandat robuster ausüben können müssten", sagt Melly. Dazu fehle es an logistischer Hilfe: Hubschrauber, Transportfahrzeuge, mehr Soldaten. Die afrikanischen Staaten seien bereit für solche Einsätze, aber ihre Armeen zu klein, fügt Melly hinzu. Doch andere Staaten zeigen wenig Interesse, sich am UN-Einsatz zu beteiligen. "Das Problem ist, dass die Zentralafrikanische Republik für die Außenwelt kein strategisch bedeutsamer Ort ist", sagt Melly.