Nicola Sturgeon: Schottische Ex-Premier in Gewahrsam
11. Juni 2023Wenige Monate nach ihrem Rücktritt als Regierungschefin in Schottland ist Nicola Sturgeon im Zuge von Ermittlungen zu finanziellen Ungereimtheiten in ihrer Partei vorübergehend festgenommen worden. Die 52-Jährige wurde rund sieben Stunden lang von Ermittlern befragt, wie die schottische Polizei mitteilte. Sie gelte als Verdächtige im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen zu den Finanzen der schottischen Regierungspartei SNP, hieß es. Anschließend kam Sturgeon wieder frei. Gegen sie seien keine formellen Anschuldigungen erhoben worden, sagte ein Polizeisprecher weiter. Sturgeon selbst erklärte, sie wisse ohne jeden Zweifel, dass sie unschuldig sei.
Sturgeon kämpfte für schottische Unabhängigkeit
Die langjährige Regierungschefin und Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP) hatte sich vehement für die Unabhängigkeit Schottlands stark gemacht. Im Februar kündigte sie nach mehr als acht Jahren an der Spitze der Regierung in Edinburgh überraschend ihren Rücktritt an - nach eigenen Angaben, weil ihr die "Energie" zum Weitermachen fehlte. Doch die Ermittlungen zu ihrem Ehemann Peter Murrell schwebten schon damals wie eine düstere Wolke über ihr. Im März schied Sturgeon dann aus dem Amt, nachdem ihr Nachfolger gewählt war.
Im April wurde Sturgeons Mann, der frühere SNP-Generalsekretär, im Zuge der Ermittlungen zu SNP-Parteifinanzen zeitweise festgenommen. Die Polizei durchsuchte damals auch das Haus von Sturgeon und Murrell in Glasgow sowie den SNP-Hauptsitz in Edinburgh.
Ermittlungen laufen seit 2021
Bei den seit Juli 2021 laufenden Ermittlungen geht es um eine mögliche Zweckentfremdung von Spenden in Höhe von knapp 667.000 Pfund (rund 780.000 Euro), die für die Unabhängigkeitskampagne der SNP vorgesehen waren.
Die vorübergehende Festnahme Murrells, gegen den aber keine Anschuldigungen erhoben wurden, stürzte die SNP tiefer in die Krise. Die Forderung der SNP nach einem erneuten Referendum über eine schottische Unabhängigkeit wurde von der britischen Regierung in London und dem Obersten Gericht abgewiesen.
Sturgeons Nachfolger im Amt des Partei- und Regierungschefs, Humza Yousaf, bestritt nach der Festnahme von Murrell, dass Sturgeon in dem Wissen zurückgetreten sein könnte, dass die Ermittlungen ihr gefährlich nahe kämen. "Nicolas Vermächtnis steht für sich", erklärte Yousaf damals. Verhört wurde im April auch SNP-Schatzmeister Colin Beattie. Er trat kurz darauf von seinem Amt zurück. Auch gegen ihn wurden keine Anschuldigungen erhoben.
Festnahme ist schwerer Schlag für die SNP
Politisch betrachtet bedeutet Sturgeons Festnahme einen schweren Schlag für die SNP. Yousaf habe versucht, den Fokus weg von Festnahmen und polizeilichen Ermittlungen und wieder hin zu Politik und Visionen der Partei zu richten, analysierte etwa BBC-Korrespondent Nick Eardley. Es sei unvermeidlich, dass sich Yousaf nun tagelang Fragen über die Festnahme und deren Bedeutung für die Partei gefallen lassen müsse.
nob/se (rtr, dpa, afp)