Riskantes Pokerspiel
30. November 2008Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Zwar hat Nordkorea bei den bisherigen Sechs-Parteien-Gespräche vieles versprochen und medienwirksam einen ersten, wenn auch gealterten Kühlturm gesprengt, aber wie es um das Atom-Programm tatsächlich gestellt ist, bleibt weiter unklar. Scheinbar als Belohnung haben die USA den kommunistischen Staat von der Liste der so genannten Schurkenstaaten gestrichen. Beweise für ein Einlenken Nordkoreas fehlen aber, und so bleiben vor allem Japan und Südkorea hart. Zugeständnisse wird es erst geben, wenn Pyöngyang die angebliche nukleare Abrüstung auch von unabhängigen Experten überprüfen lässt.
Aus Wut darüber schließt Pyöngyang nun am 1. Dezember 2008 die Grenzen zum verfeindeten Bruderstaat im Süden komplett. Der ohnehin nur spärliche Bahnverkehr über die schwer gesicherte Grenze wird eingestellt, einzelne Südkoreaner werden aus der gemeinsamen Zone für Sonderwirtschaft in Kaesong ausgewiesen und selbst Touristen dürfen den Norden nicht mehr besuchen. Das nordkoreanische Fernsehen ließ verlauten, dass die Armee gut vorbereitet sei.
"Südkorea ist schuld"
Mit gewohnt markigen Worten begründete Nordkorea diesen Schritt mit dem "konfrontativen Verhalten" der südkoreanischen Regierung. Tatsächlich hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Koreas seit dem Antritt des konservativen südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak Ende Februar spürbar abgekühlt.
Der Präsident mit dem Spitznamen "Bulldozer" gibt sich gegenüber dem kommunistischen Norden unnachgiebiger als seine Vorgänger. Erst wenn Pyöngyang in den Atomverhandlungen nachweisbar Zugeständnisse macht, werde Seoul den Norden wieder unterstützen. Wandel durch Annäherung heißt auch im geteilten Korea die Losung.
Annäherung durch Billigproduktion
Wie das funktionieren kann, zeigt eigentlich der gemeinsame Industriepark in Kaesong, der von der gegenwärtigen Grenzschließung besonders heftig betroffen ist. Dort produzieren 45 südkoreanische Unternehmen mit 19.500 Mitarbeitern für den Weltmarkt. Zu Billigstlöhnen stellen Nordkoreaner arbeitsintensive Erzeugnisse wie Bekleidung, Schuhoberteile, Uhren, einfache elektronische Bauelemente und Autoteile her.
Aus Sicht des Südens hat Kaesong damit eine Doppelfunktion: Einerseits ist der Industriepark ein willkommener Standort für Billigproduktionen, andererseits fördert er die Annäherung der beiden Staaten. Seoul hat den Fuß bereits in der Tür, für Pyöngyang ist dieser Industriepark eine der wichtigsten Quellen für Devisen überhaupt. "Eine Grenzschließung wird sich negativ auf die Bemühungen für eine Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen auswirken", bedauert Kim Ho Nyong vom Ministerium für Wiedervereinigung in Seoul die Entscheidung. Aber die Regierung in Seoul wolle den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.
Mit dem Rücken zur Wand
Die Möglichkeit zum Dialog gibt es am 8. Dezember bei den Sechser-Gesprächen in Peking zwischen den USA, China, Russland, Japan, Süd- und Nordkorea. Auf Nachsicht oder auf eine Unterstützung darf Pyöngyang aber nicht einmal mehr von seiner alten Schutzmacht China rechnen. "Wir hoffen, dass sich alle sechs Staaten um Erfolge bei der nächsten Verhandlungsrunde bemühen, damit wir in einem zweiten Schritt Maßnahmen einleiten können, die schnell und ausgewogen zu einer nuklearen Abrüstung führen", sagt Qin Gang, Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Peking erwarte auch von Nordkorea Zugeständnisse.
Nordkorea steht also mit dem Rücken zur Wand. Das ist für Pyöngyang nichts Neues, aber diesmal ist seine Verhandlungsposition geschwächt. Die atomare Trumpfkarte ist weitgehend ausgereizt, ein harter Winter steht bevor, die Versorgungslage ist mal wieder desolat.
Unklare Führungsfrage in Nordkorea
Außerdem lässt sich der gesundheitlich angeschlagene Machthaber Kim Jong Il nach wie vor nicht blicken. Zwar veröffentlich Pyöngyang regelmäßig irgendwelche Fotos des seit Wochen aus der Öffentlichkeit verschwundenen Staatschefs - bei einem Fußballspiel, beim Truppenbesuch und wie jüngst beim Besuch einer Kosmetik- und Maschinenfabrik. Doch alle staatlich freigegebenen Fotos des 66-Jährigen sind undatiert und damit nicht sonderlich aussagekräftig.
Fest steht nur, dass er überraschenderweise Anfang September nicht an den Feiern zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Nordkoreas teilgenommen hat und er Ende Oktober beim Begräbnis eines ranghohen Parteifreundes fehlte. Gerüchten zufolge soll er bereits zwei Schlaganfälle erlitten haben, Mitte August und Ende Oktober, was Nordkorea stets als westliche Propaganda abtut. Auch wenn die Führungsfrage unklar ist, wird die Staatengemeinschaft auf nachweisbare Belege für die atomare Abrüstung in Nordkorea drängen. Denn Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist eben besser.