Opel-Klassiker im Münsterland
10. September 2017Kadett, Kapitän, Olympia. Es sind hunderte von Autos, die sich in der Halle stapeln. "Ich weiß nicht, wie viele Autos wir hier haben", sagt Martin Degener (Bild oben), KFZ-Meister und seit 45 Jahren einer der bekanntesten Opel-Oldtimer-Schrauber in Deutschland.
Schrott ist nicht gleich Schrott
Neben seiner Leidenschaft für die alten Karossen, führte er jahrzehntelang ein Opelhaus in Vreden im Münsterland. Dort, unweit der niederländischen Grenze besitzt er gemeinsam mit seinem Bruder Josef Lagerhallen, deren Inhalt den Besucher erst einmal sprachlos machen. Schon auf dem Hof stapeln sich auf LKW-Anhängern oder Regalen Schrottwagen der Marke Opel. Von Ascona, über GT bis hin zu Commodore ist alles vorhanden. Schrott hat aber hier eine andere Bedeutung.
Was für den Laien wie zusammengequetschter Blechmüll aussieht, kann von Degener und seinen Mitstreitern in jahrelanger Kleinarbeit in ein fahrtüchtiges Fast-Original-Fahrzeug zurück versetzt werden. Doch eben nur fast. "Sie bekommen so ein Fahrzeug nicht so hin, wie es einmal war. Entweder es wird besser oder etwas schlechter, doch hundertprozentig den Urzustand herzustellen, geht nicht. Aber diese kaputten Hardcore-Fahrzeuge sind mir die liebsten", erklärt der 68-Jährige mit einem Leuchten in den Augen.
Degener ist hineingewachsenen in die Opel-Historie. Sein Vater besaß bereits in den 1930er Jahren eine Opel-Niederlassung mit Fahrschule. Warum ausgerechnet Opel? "Mercedes war damals zu teuer, DKW baute nur Zweitakter, VW gab es noch nicht, also blieb nur Opel", sagt Degener, knorriger Westfale. Bereits mit fünf Jahren lernte er schweißen und rannte mit seinem Bruder in der Werkstatt herum. "Ich konnte früher schweißen als schreiben, sagt zumindest mein Vater."
Die Basis für den Erfolg bei den Restaurationen legten allerdings seine Eltern, insbesondere die Mutter. "Sie konnte nichts wegwerfen, so wie die Leute heute. Alles wurde aufbewahrt. Jedes Stoffmuster oder sogar die Farbskalen mit den Mischungsverhältnissen für die Lackierung. So können wir heute den Originallack wieder selber produzieren", erklärt der Restaurator.
Opel-Strategie: keine Ersatzteile
Dazu kommen noch die einzelnen KFZ-Teile und das ist eine besondere Geschichte. Opel, seit Mitte der 1930er Jahre im Besitz des amerikanischen General Motors Konzern, war in den 1950er und 19960er Jahren nicht daran gelegen, dass die Händler auch größere Reparaturen ausführten. Daher gab es auch keine Ersatzteilzulieferung aus Rüsselsheim. Vielmehr sollte der Kunde nach mehreren Jahren Nutzung möglichst wieder einen Neuwagen kaufen. "Das war die Philosophie der Amerikaner. Schneller Profit, keine Nachhaltigkeit", kritisiert Degener.
"Wir wurden dazu angehalten, die guten Teile zu verschrotten und bekamen dafür sogar eine Prämie. Das taten wir auch, allerdings holten wir nach zwei Wochen als Privatleute beim Schrotthändler die Autoteile wieder ab und schlachteten sie aus. Das Ganze wurde dann eingelagert", sagt er lächelnd. Wie viele Ersatzteile inzwischen dort gehortet wurden, ist unklar. Wahrscheinlich Millionen. Degener weiß es selber nicht, er hat keine elektronische Buchführung. Alles ist in seinem Kopf und dem seiner inzwischen pensionierten Mitstreiter, die sich regelmäßig zum restaurieren treffen, gespeichert. "Wir finden jedes Teil, dass wir brauchen wieder", so Degener.
Rund 100 Autos sind inzwischen restauriert – ungefähr. Auch hier weiß Degener das nicht so genau und das macht ihn zusätzlich sympathisch. Er schafft tolle Sachen, bewertet das aber nicht über. "Ich will einfach nur restaurieren und bewahren", so sein Credo. Das älteste Fahrzeug stammt aus dem Jahr 1928 – ein Opel 1290.
Drei bis fünf Jahre benötigt er für ein Fahrzeug. Finanziell hat er keinerlei Interessen. "Wir verkaufen kein einziges Modell. Später geht die Sammlung wahrscheinlich in eine Stiftung. Die Modelle sind gar nicht zu bezahlen. Wie auch. Wenn ich eine Zierleiste herstelle, kostet mich das zehn Arbeitsstunden. Einen Kotflügel aus Blech neu zu konstruieren kostet zahlreiche Stunden und rund 4000 Euro. Was soll also so ein Auto kosten, 70.000 Euro oder mehr?"
Ihm geht es ums Bewahren und Präsentieren. Daher sind Besucher auch gern gesehen. Sie können in seinem Autohaus einen Gruppenbesuchstermin vereinbaren. Zweieinhalb Stunden mit Kaffee und Kuchen, für zehn Euro.
Oftmals stehen die kaputten Wagen 20 Jahre bei ihm in den Hallen oder auf dem Hof. "Wir legen erst los, wenn wir 95 Prozent der Teile haben." Einige sind schwierig zu besorgen oder müssen eben selber hergestellt werden - andere, wie Reifen, sind unproblematisch. "Bei rund 550.000 historischen Fahrzeugen in Deutschland ist das ein Markt und die Reifenhersteller haben sich darauf eingerichtet", so Degener.
Schweden – das Ersatzteillager
Häufig holt der KFZ-Meister die Wagen aus dem Ausland. Gern besuchtes Zielgebiet: alte Scheunen in Nordschweden. "Dort wurde früher kein Salz und Rollsplitt gestreut. Die Wagen kamen im Winter in die Scheune und wenn es wärmer wurde, wurden sie wieder herausgeholt. Daher haben diese Wagen oft wenige Schäden. Ich habe zum Beispiel einen Kadett Kiemen Coupe mit Totalschaden in Deutschland gekauft. Das Auto war einen Meter kürzer durch den Unfall. 15 Jahre später habe ich in Schweden das passende Model gefunden und werde nun aus zwei Wagen einen machen."
Seine Frau ist dementsprechend einiges gewohnt. "Wenn ich zu ihr sagte, wir fahren dieses Jahr nach Griechenland und ich mit dem Anhänger vorfuhr, wusste sie meist was los war", sagt er. Als Mitbringsel gab es keinen Ouzo, sondern ein Opel Olympia Cabrio – eine Rarität.
Fahrzeuge mit Geschichte
Manches der Fahrzeuge hat auch eine Geschichte. So wie der Opel Kapitän aus den 1950er Jahren. "Der Wagen wurde von General Motors France an den König von Marokko geliefert. Der verkaufte ihn nach einigen Jahren an einen französischen Diplomaten im Land. Im südfranzösischen Toulon habe ich ihn Jahrzehnte später in einer Scheune gefunden."
Wenn die Familie Degener ihre Fahrzeuge auch nicht verkauft, so vermietet sie einige Modelle. "Für Hochzeiten stellen wir Autos zur Verfügung, das deckt ein wenig die Kosten. Oder wie dieser Opel der geht jetzt zur UFA nach Babelsberg. Dort wird er in einer Verfilmung der Geschichte der Familie Burda gefahren", zeigt Degener stolz auf einen grau lackierten Opel Kapitän.
Nur Chrom und Blech
Für den Autoliebhaber Degener sind eigentlich nur die Fahrzeug interessant, die Chrom und Blech und manchmal innen Holz haben. Sobald Plastik-Stoßstangen verwendet wurden, schwand sein Interesse, gibt er zu. Besonders angetan haben es ihm auch die Farben der Fahrzeuge. "Früher hatten die Farben Sehnsuchtsnamen wie Safari-Gelb oder Malaga-Rot. Orte, wo die meisten Menschen damals nie hin kamen. Heute fährt jedes Kind dreimal im Jahr nach Malaga. Und Sehnsucht hat offenbar auch Martin Degener. Sehnsucht nach der Zeit von Chrom und Blech. "Mit dem Rekord hier bin ich damals zum Tanztee gefahren. Disco gab es noch nicht", sagt er lachend und verschwindet wieder in seinem Lager.