Opposition setzt nationalen Übergangsrat ein
27. Februar 2011Die libysche Opposition hat nach eigenen Angaben einen nationalen Übergangsrat eingesetzt. Daran beteiligt seien alle "freien Städte" - also solche, in denen die Gegner von Machthaber Muammar al-Gaddafi bereits die Kontrolle übernommen hätten, sagte der Sprecher des neuen Rates, Abdelhafes Ghoka, am Sonntag (27.02.2011) bei einer Pressekonferenz in Bengasi, der zweitgrößten Stadt des Landes.
USA suchen Kontakt zur libyschen Opposition
Bereits am Samstag hatte der ehemalige libysche Justizminister Mustafa Abdel Dschalil erklärt, eine Übergangsregierung solle Neuwahlen in dem nordafrikanischen Land vorbereiten. Die Entscheidung, eine solche Regierung zu bilden, sei von den Mitgliedern lokaler Räte in den östlichen Regionen des Landes getroffen worden, sagte Dschalil dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira.
US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, ihre Regierung gehe auf die verschiedenen Gruppen der libyschen Opposition im Osten des Landes zu. Noch sei es aber zu früh zu sagen, wie sich die Lage in Libyen entwickeln werde. Ein Sprecher des neu gegründeten oppositionellen Rates erklärte jedoch in Bengasi, ein Eingreifen des Auslandes sei nicht erwünscht.
Globale Sanktionen beschlossen
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss am Samstag einstimmig Sanktionen gegen Gaddafi und seine Familie. Die UN-Resolution verurteilt "die Anstiftung zu Feindseligkeit und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch die höchste Ebene der libyschen Regierung" und sieht ein Waffenembargo, Reiseverbote und Kontosperrungen vor. Der Internationale Strafgerichtshof soll die Gewalttaten prüfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die UN-Resolution als "starkes Signal an Oberst Gaddafi und andere Despoten, dass Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben". Sie forderte ebenso wie US-Präsident Barack Obama den sofortigen Rückzug Gaddafis. Gaddafi will nach eigenen Angaben jedoch eher sterben als Tripolis verlassen.
Bundespräsident Christian Wulff, der zurzeit Katar besucht, forderte ein Ende des Blutvergießens in Libyen. Niemand habe das Recht, auf die eigene Bevölkerung zu schießen und sie zum Gegner zu erklären, sagte Wulff nach einem Gespräch mit dem Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khaifa Al Thani, in Doha.
Außenminister Guido Westerwelle sagte, die Zeit von Libyens Diktator Gaddafi sei vorbei. Er rechne damit, dass die Europäische Union die Sanktionen gegen das Land Anfang der Woche umsetze. Er forderte deutsche Staatsangehörige "mit Nachdruck auf, das Land zu verlassen".
Die Bundeswehr hatte am Samstag mit zwei Transall-Maschinen rund 130 Personen, darunter 22 Deutsche, aus Libyen ausgeflogen. Die Militärflugzeuge nahmen die Passagiere in der libyschen Wüste auf und brachten sie zur griechischen Insel Kreta.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich noch rund 100 Bundesbürger in Libyen. Die Vereinten Nationen melden, dass in der vergangenen Woche fast 100.000 Menschen aus Libyen flüchteten. Allein in das Nachbarnland Tunesien sollen rund 50.000 Menschen geflohen sein.
USA erwägen militärische Aktionen
Die USA erwägen nach einem Zeitungsbericht notfalls militärische Aktionen, sollte Machthaber Gaddafi weiter mit blutiger Gewalt gegen das eigene Volk vorgehen. Die finanziellen Sanktionen seien nur der erste von einer Reihe von Schritten, "die eine militärische Option beinhalten könnten", berichtete die "Washington Post" am Sonntag unter Berufung auf hohe US-Regierungsbeamte.
Zu möglichen Maßnahmen gehöre auch das Durchsetzen einer Flugverbotszone über Libyen, um zu verhindern, dass Gaddafi seine Gegner weiter aus der Luft bombadieren lasse. Obama hat nach Angaben der Zeitung die US-Geheimdienste bereits angewiesen, Spionage-Satelliten und andere Überwachungseinrichtungen auf Libyen auszurichten. "Die Botschaft an Gaddafi lautet: 'Wir beobachten dich'", sagte ein US-Regierungsbeamter.
Italien setzte einen Vertrag mit Libyen aus, der eine Nichtangriffsklausel enthält. Damit könnte Rom an möglichen friedenserhaltenden Einsätzen in dem nordafrikanischen Land teilnehmen oder die Nutzung seiner Militärbasen für solche Zwecke gestatten. Rom und Tripolis hatten den jetzt einseitig ausgesetzten Vertrag 2008 unterzeichnet.
Opposition gewinnt an Territorium
Gaddafis Gegner in Libyen entreißen dem Machthaber unterdessen Stadt um Stadt. Am Sonntag nahmen sie sowohl die drittgrößte Stadt Misurata als auch die nur 50 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis gelegene wichtige Stadt Al-Sawija ein. Der Gaddafi-Clan herrsche nur noch in einigen Stadtvierteln in Tripolis sowie in Sirte, der Heimatstadt des 68-jährigen Despoten, berichtete Al-Dschasira unter Berufung auf Augenzeugen.
Diplomaten gehen davon aus, dass bei den tagelangen Kämpfen etwa 2000 Menschen ums Leben gekommen sind. Die Zahlen sind allerdings nicht offiziell bestätigt.
Autorin: Ursula Kissel (dpa, rtr, afp, dapd)
Redaktion: Stephan Stickelmann