Geheimnisvolles Dossier
1. Januar 2008Nach dem Mord an Oppositionsführerin Benazir Bhutto und landesweiten Unruhen werden die Parlamentswahlen in Pakistan verschoben. Der Sekretär der pakistanischen Wahlkommission, Kanwar Dilshad, sagte am Dienstag (01.01.2007) in der Hauptstadt Islamabad, unter den gegenwärtigen Umständen sei es unmöglich Wahlen abzuhalten. Die Ermordung Bhuttos am vergangenen Donnerstag hatte zu schweren Unruhen geführt, in deren Verlauf im ganzen Land an die 60 Menschen getötet wurden.
Wahlen im Monat Moharram?
Die Verschiebung des Wahltermins sei nach Beratungen mit den Parteien beschlossen worden, erklärte Dilshad. "Es scheint unmöglich, Wahlen am 8. Januar abzuhalten", sagte er weiter. Für den neuen Termin wurde nach seinen Angaben ein Tag im heiligen islamischen Monat Moharram erwogen. Moharram beginnt am 10. Januar und endet am 8. Februar. Die Wahlkommission war am Montag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengetreten, um über die Lage nach dem Anschlag auf Bhutto zu beraten.
Präsident Pervez Musharraf wollte sich am Mittwochabend (16.00 Uhr MEZ) an die Pakistaner wenden, wie sein Sprecher mitteilte. Ein ranghoher pakistanischer Beamter hatte bereits zuvor angedeutet, der Urnengang könne auf Februar verschoben werden, nicht aber darüber hinaus. "Wir möchten die Verspätung so gering wie möglich halten", sagte der Beamte. Die Wahlkommission brauche jedoch realistisch viel Zeit, "um die Dinge wieder aufs Gleis zu bringen".
Hintergründe weiter unklar
Pakistans Oppositionsparteien reagierten mit Unverständnis auf die angekündigte Verschiebung. "Wenn im Irak, Afghanistan oder in Afrika Wahlen stattfinden können, warum nicht auch in Pakistan", sagte Bhuttos Ehemann, der neue Vizechef der Pakistanischen Volkspartei PPP Asif Ali Zardari, in einem Fernsehinterview.
Unklar sind weiterhin die Hintergründe des Selbstmordanschlags auf Bhutto. Radikal-islamische Extremisten wiesen am Montag erneut jede Verwicklung in das Attentat zurück und forderten eine unabhängige Untersuchung. Ein Sprecher der Organisation Tehrik-e-Taliban Pakistan (Taliban-Bewegung in Pakistan) sagte am Montag einem Radiosender, die Regierung beschuldige seine Organisation zu Unrecht, für den Tod Bhuttos verantwortlich zu sein. Der Mord sei eine "große nationale Tragödie" und müsse von einer unabhängigen Kommission untersucht werden. Die Regierung hatte erklärt, pakistanische Extremisten mit Verbindungen zum Terrornetz El Kaida seien für den Anschlag verantwortlich. Auch Volkspartei-Vize Zardari, hatte verlangt, die Hintergründe des Mordes an seiner Frau von einer internationalen Kommission untersuchen zu lassen.
Geheimnisvolles Dossier
Nach Angaben ihrer Partei plante Bhutto am vergangenen Donnerstag die Veröffentlichung von Beweisen, die ein Komplott des Geheimdienstes und der Wahlkommission zur Wahlfälschung belegen sollten. Der Senator Latif Khosa von Bhuttos Volkspartei sagte, der tödliche Anschlag in Rawalpindi habe diese Enthüllungen jedoch verhindert. Das 160-Seiten-Dokument habe Bhutto auch zwei US-Parlamentariern überreichen wollen, die sich in Pakistan aufhielten. Die Parlamentwahl gilt als entscheidender Schritt beim endgültigen Übergang des Landes zu einer zivilen Regierung.
Musharraf, der das Land seit einem Putsch 1999 als Militärmachthaber regierte, war nach seiner umstrittenen Wiederwahl ins Amt des Staatschefs Ende November vom Amt des Militärchefs zurückgetreten. Zuvor hatte er den Ausnahmezustand verhängt und die Richter des Obersten Gerichtshofs ausgetauscht, die seine Wiederwahl bestätigen sollten. Mitte Dezember hatte Musharraf die Notmaßnahme unter internationalem Druck wieder außer Kraft gesetzt.
Unterdessen hat der neue PPP-Chef Bilawal Bhutto Zardari Pakistan verlassen. Eine Parteisprecherin sagte am Dienstag, Bilawal Bhutto sei auf dem Weg nach England, um sein Jura-Studium in Oxford fortzusetzen. Der 19-Jährige war am Sonntag zum Nachfolger seiner Mutter Benazir Bhutto an der Parteispitze ernannt worden. Für die täglichen Amtsgeschäfte bleibt jedoch sein Vater Asif Ali Zardari zuständig, bis er sein Studium beendet hat. Zudem müssen Kandidaten für ein offizielles politisches Amt in Pakistan mindestens 25 Jahre alt sein. (stu)