Philippinische Pflegekräfte: Schwerer Start in Deutschland
2. Mai 2024Elaine Custodio kam im März 2018 nach Bonn, eine mittelgroße Stadt am Rhein im Westen Deutschlands und frühere Bundeshauptstadt. Die Krankenschwester aus den Philippinen hatte sechs Jahre Berufserfahrung und einen B1-Sprachzertifikat für die "Mittelstufe Deutsch" im Gepäck.
Bevor sie ihre Heimat verließ, um eine Stelle als Krankenschwester am Universitätsklinikum Bonn (UKB) anzutreten, hatte Custodio in Vollzeit Deutsch gelernt, um die für die Arbeit im Krankenhaus erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben.
Trotz ihres Zertifikats hatte sie aber immer noch Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen und zu verstehen, was sich am Arbeitsplatz als Hürde erwies. B1 ist ein Zertifikat der "Mittelstufe". Man kann sich im Alltag unterhalten. Erst mit dem Niveau C2 spricht man fast perfekt Deutsch. Davor muss sie noch die Hürde für B2 und C1 nehmen.
Deutsch ist "echt schwer"
Deutsch ist laut UNESCO unter den zehn am schwierigsten zu erlernenden Sprachen der Welt. "Als ich hierher zog, fühlte ich mich auf der Straße sicher. Aber ich hatte Angst, bei der Arbeit ans Telefon zu gehen", sagt Custodio, die aus Quezon City auf den Philippinen stammt. "Die Sprache war hart, wirklich hart. In jeder Schicht schrieb ich Wörter auf, die ich nicht kannte, und lernte die Bedeutung zu Hause."
Custodio gehörte zu der dritten Gruppe von Pflegekräften, die in Bonn eintrafen, als das UKB begann, qualifiziertes medizinisches Personal von den Philippinen zu rekrutieren, um den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen.
Das Krankenhaus beschäftigt heute rund 740 ausländische Pflegekräfte, von denen 300 von den Philippinen stammen. Wie Custodio haben auch viele dieser philippinischen Krankenschwestern und Krankenpfleger am UKB Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen und zu verstehen.
Joel Licay, der als Krankenpfleger am UKB arbeitet, klagt, dass er nach zwei Monaten in Deutschland wegen der Sprachbarriere deprimiert geworden sei.
"Einige Patienten sagten mir, ich sei dumm, weil ich die Sprache nicht könne. Ich habe jeden Tag geweint", sagte er und fügte hinzu, dass er frustriert war, nicht in der Lage zu sein, mit Kollegen sowie Patienten und ihren Angehörigen zu kommunizieren.
Als er vor fünf Jahren anfing, auf einer der UKB-Stationen zu arbeiten, musste Licay noch von jemanden mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen begleitet werden, um effektiv mit den Patienten kommunizieren zu können.
Noch heute verbringt er seine Zeit damit, an seinem Deutsch zu feilen, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Seine Bemühungen haben sich aber ausgezahlt. Er ist nun auf dem besten Weg, das C1-Niveau zu erreichen.
Kulturschock in Deutschland
Die Herausforderung, sich auf Deutsch zu verständigen, sei eine "weltweite Barriere", so Maria Hesterberg, Leiterin der Personalrekrutierung für die UKB, weil es nicht die einfachste Sprache sei, die man lernen könne. Sie und ihre Kollegen hätten festgestellt, dass ihre ausländischen Pflegekräfte oft Schwierigkeiten mit der Sprache hatten.
Und die Sprachanforderungen, um in Deutschland als Krankenschwester oder Krankenpfleger zu arbeiten, wurden von B1 auf B2 angehoben, was die Schwierigkeiten für sie noch verschärft. B2 gilt als gehobene Mittelstufe.
Viele Pflegekräfte auf den Philippinen, die eine Karriere in Deutschland ins Auge gefasst hatten, brachen ihre Anfängerkurse ab, sagte Steffen Zoller, Gründer von CWC (Care With Care) Recruitment.
Und kulturelle Unterschiede können die Sprachbarriere noch verstärken. Viele Ausländer nehmen Deutsche als offen in ihrer Kommunikation wahr, während Menschen aus anderen Ländern Dinge vielleicht nicht so direkt sagen.
"Die Deutschen kommunizieren direkt. Wir sind sehr offen. Und das ist etwas, woran die Filipinos nicht gewöhnt sind. Wir haben gelernt, dass es auf den Philippinen am Anfang sehr unüblich ist, eine Frage mit 'Nein' zu beantworten", sagte Hesterberg.
Sie fügte hinzu, dass sie dies in Informationsveranstaltungen diskutieren müssten, und erklärte, dass "Nein" zu sagen nichts Persönliches sei. Sie haben auch die Krankenschwestern und Krankenpfleger ermutigt, proaktiv Fragen zu stellen, unabhängig davon, mit wem sie kommunizieren.
Den Weg nach Deutschland ebnen
Zoller fügte hinzu, dass CWC Recruitment, das rund 700 philippinische Krankenschwestern und Krankpfleger in ganz Deutschland einsetzt, auch über ein Integrationsteam verfügt, das die ankommenden Gesundheitsfachkräfte auf ihren großen Umzug in das Land vorbereitet.
Die Philippinen sind für Deutschland eine wichtige Quelle von Fachkräften. Und Ihre Gehälter in Deutschland sind eine wichtige Einkommensquelle für ihre Familien in der Heimat.
Zoller sagte, dass immer mehr philippinische Pflegekräfte Interesse hätten, nach Deutschland umzuziehen, das immer mehr Wege für Fachkräfte eröffne.
Seit 2017 hat das UKB immer mehr ausländische Pflegekräfte eingestellt. Sie kommen nicht nur von den Philippinen, sondern auch aus Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mexiko und Argentinien. Bis 2027 hat das UKB rund 1.000 weitere Pflegestellen zu besetzen.
Zoller sagte, dass Deutschland trotz der Sprachprobleme im Gegensatz zu anderen Ländern oft als dauerhaftes Ziel für philippinische Pflegekräfte angesehen werde, die auswandern wollen.
"Ich sehe, dass ich hier alt werde", sagte der Krankenpfleger Licay. Seine Pflegekollegin Custodio ist sich da noch nicht so sicher.
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand