Wie unterschiedlich BRD und DDR Picasso sahen
25. September 2021Ein gefragter Künstler ist Pablo Picasso (1881-1973) auch heute noch - 48 Jahre nach seinem Tod. Erst im Mai 2021 ersteigerte ein Kunstsammler bei Christie's in New York ein Picasso-Werk für 103,4 Millionen Dollar. 2015 wechselte das bis dahin teuerste Gemälde, "Die Frauen von Algier", für 179,4 Millionen Dollar den Besitzer. Seine Werke bleiben gefragt. Doch wer war Picasso, der mit vollem Namen übrigens "Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno María de los Remedios Cipriano de la Santísima Trinidad Ruiz y Picasso" hieß?
Fast alles scheint über den aus Malaga stammenden Maler, Bildhauer und Graphiker gesagt und geschrieben worden zu sein. Etwa, dass er einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts war, ein arbeitswütiges Genie, das sich künstlerisch immer wieder neu erfand. Dass er seine Werke mit dem Mädchennamen seiner Mutter - Picasso - signierte. Dass er die Frauen betörte. Dass er der Nachwelt ein riesiges Gesamtwerk hinterließ - und den Streit darum.
Verschiedene Sicht auf Picasso
Was neu ist und nun herausgearbeitet wurde von einer Ausstellung im Kölner Museum Ludwig unter dem Titel: "Der geteilte Picasso" ist seine Rezeption im Osten und im Westen, die erstaunlich unterschiedlich ausfiel. Das hatte viele Gründe, wie - neben Gemälden - auch Briefe, Zeitungsausschnitte und Plakate ausführlich belegen. Schuld war vor allem, wie der Rückblick zeigt, der Eiserne Vorhang, der die Welt mehr als vier Jahrzehnte lang in unversöhnliche politische Blöcke, in Sozialismus und Kapitalismus, aufteilte.
Picasso war nämlich, was nur Wenige wissen, Kommunist. Noch 1944 trat er der Kommunistischen Partei Frankreichs bei. Er nannte das "einen logischen Schritt in meinem Leben, in meinem Werk." Er beteiligte sich an Kampagnen, reiste zu Friedenskongressen, für die er auch Plakate entwarf. Er schuf politische Werke wie "Das Leichenhaus", das NS-Gräuel darstellte, oder das "Massaker in Korea" über ein US-amerikanisches Kriegsverbrechen und natürlich das Antikriegsbild "Guernica", das an den Angriff deutscher Bomber auf die gleichnamige spanische Baskenstadt erinnern sollte. Sein Doppelgemälde "Krieg und Frieden" sollte die Schlosskapelle im südfranzösischen Vallauris in einen "Tempel des Friedens" verwandeln. Auch führte Picasso Aufträge aus, die man an ihn herantrug. So porträtierte er Josef Stalin zu dessen Geburtstag oder zeichnete den sowjetischen Kosmonauten Yuri Gagarin.
Friedenstaube und Stalin
Doch vertrug sich ein Stalin-Porträt mit einem Tempel des Friedens? "In der Nachkriegswelt schon", sagt die Kölner Kuratorin Julia Friedrich, "jedenfalls für Picasso und andere Kommunisten". Der Künstler identifizierte sich in jenen Jahren mit der sozialistischen Friedensbewegung, für die er das Symbol schlechthin schuf-– die Friedenstaube. Das Motiv hatte Picassos Freund, der Dichter Louis Aragon 1944 ausgewählt. Der Künstler griff es auf und variierte es fortan bei jeder Gelegenheit.
Schon als Kind hatte Picasso die Tauben im Verschlag seines Vaters gezeichnet. In der sozialistischen DDR war seine Taube besonders beliebt, fand sogar Platz auf Plakaten und in Schulbüchern. Und wurde so, wie Kuratorin Friedrich mutmaßt, "gewiss populärer und vielleicht weiter verbreitet als die offiziellen Symbole Hammer und Zirkel im Ährenkranz". Zwar galt Picasso in der DDR, wo es anfangs kaum Picasso-Ausstellungen gab, als vorbildlicher kommunistischer Aktivist. Doch zugleich stieß seine anti-realistische Malweise auf Ablehnung: Das Volk sollte sich in der Kunst wiedererkennen können.
"Der politische Picasso - unterschlagen"
Ganz anders im Westen. Zwar erlangte Picasso auch in Westdeutschland große Bedeutung, doch war seine Kunst hier allgegenwärtig: Etliche Ausstellungen präsentierten den Erneuerer der Malerei, verehrten den Künstler einzig als Genie mit Casanova-Allüren. Als etwa 1955 das Monumentalgemälde "Guernica" im Münchener Haus der Kunst gezeigt werden sollte, warnte das Auswärtige Amt in Berlin die Kuratoren vor "politischen Tendenzen". "Der politische Picasso", sagt Kölns Ausstellungsmacherin Friedrich, wurde einfach unterschlagen. Im Westen hatte Kunst unpolitisch zu sein.
So schlägt die sorgsam recherchierte Schau "Der geteilte Picasso" ein bisher unbekanntes Kapitel der Kunstwahrnehmung auf. Es rekonstruiert und vervollständigt das Bild des weltberühmten Künstlers, der zwar von beiden politischen Systemen eingespannt wurde, der jedoch sehr wohl wusste, was er tat.
Die Ausstellung im Kölner Museum Ludwig ist bis zum 30. Januar 2022 zu sehen.