Burundis "ewiger oberster Führer"
21. Mai 2018Als "ewigen obersten Führer" betitelt die burundische Regierungspartei CNDD-FDD seit kurzem den Präsidenten Pierre Nkurunziza. Und tatsächlich scheint das Ende seiner Amtszeit in immer weitere Ferne zu rücken. Denn die Burundier haben in einem Volksentscheid mit großer Mehrheit einer Verfassungsänderung zugestimmt, die es Nkurunziza erlaubt, bis 2034 im Amt zu bleiben.
Doch was die Regierungspartei als Willen des Volkes verkauft, entspringt laut Beobachtern einem andauernden Klima der Angst. Internationale Medien berichten, dass Einschüchterungen und Repressionen gegen Oppositionelle und Journalisten in den Wochen vor dem Referendum einen neuen Höhepunkt erreicht hätten. Aus Angst seien viele Regierungsgegner deshalb den Wahllokalen fern geblieben.
Burundi in der Dauerkrise
Seit sich Pierre Nkurunziza im April 2015 zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidat aufstellen ließ und damit in den Augen vieler gegen die verfassungsmäßige Beschränkung auf zwei Amtszeiten verstieß, herrscht in Burundi Dauerkrise. Regelmäßig gibt es Meldungen von Mordanschlägen, Verschleppungen und Folter. Erst vor wenigen Tagen töteten Unbekannte bei einem Überfall in der Provinz Cibitoke 26 Menschen.
Insgesamt kamen laut Angaben der UN seit Beginn der Krise 1.200 Menschen ums Leben, Hunderttausende sind in die Nachbarländer geflüchtet. Seit November 2017 ermittelt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen "systematischen Terrors" gegen die burundische Regierung. Den Gerichtshof hat Burundi mittlerweile verlassen.
Ein Leben von Gewalt geprägt
Wie weit ist Pierre Nkurunziza bereit, für den Machterhalt zu gehen? Um den burundischen Präsidenten zu verstehen, müsse man sich seine Rolle als Rebellenführer im Bürgerkrieg zwischen 1993 und 2005 vor Augen führen, sagt der Burundi-Experte Phil Clark. "Nkurunzizas Führungsstil basiert absolut auf diesen Jahren der Gewalt", so der Politikwissenschaftler von der Londoner "School of Oriental and African Studies".
Wie viele Burundier seiner Generation kam auch der 1963 geborene Nkurunziza früh in seinem Leben mit Gewalt in Berührung. 1972 wird sein Vater, ein Angehöriger der Volksgruppe der Hutu und Gouverneur zweier Provinzen, während einer Welle ethnisch motivierter Gewalt getötet. Schätzungen zufolge kommen damals innerhalb weniger Monate mehr als 100.000 Hutu und mehr als 10.000 Tutsi ums Leben. Pierre Nkurunziza, seine Geschwister und seine Mutter, eine Tutsi, überleben.
Karriere im Bürgerkrieg
In den 1980er-Jahren verlässt Nkurunziza seine Heimatprovinz Ngozi, um an der Universität in der Hauptstadt Bujumbura Sportwissenschaften zu studieren. Er arbeitet als Sportlehrer und Aushilfsdozent an der Universität, als 1993 der Bürgerkrieg zwischen Hutu-Rebellen und der von Tutsi dominierten Armee ausbricht. Zwei Jahre später entkommt Nkurunziza nur knapp einem Angriff der Armee auf den Universitätscampus, bei dem über 200 Menschen sterben. Kurz darauf schließt er sich der Rebellengruppe FDD an, die den bewaffneten Arm der von Hutu dominierten politischen Gruppe CNDD bildet.
Nkurunziza macht Karriere als Milizionär und übernimmt 2001 die Führung einer Splittergruppe der FDD. In dieser Funktion ist er entscheidend an den Friedensverhandlungen mit Präsident Domitien Ndayizeye beteiligt und zieht 2004 sogar in dessen Kabinett ein. Ein Jahr später gewinnt die CNDD-FDD, jetzt politische Partei, die ersten freien Parlamentswahlen seit dem Bürgerkrieg. Der Parteichef Nkurunziza wird Präsident.
Doch die Kriegsjahre hinterlassen auch privat Spuren: Fünf seiner sechs Geschwister kommen bei Kämpfen und Massakern während des Bürgerkriegs ums Leben.
Korruptionsvorwürfe
Zwar wird der neue Präsident für seine Bemühungen, den Bürgerkrieg zu beenden, im In- und Ausland gefeiert. Doch laut Burundi-Experte Clark schafft Nkurunziza in den Anfangsjahren seiner Präsidentschaft bereits die Voraussetzungen für die Krise, die das Land seit 2015 prägt. "Um politische Gegner auszustechen und die Partei und den Staatsapparat in den Griff zu bekommen, hat sich Nkurunziza von Anfang an in der Staatskasse bedient", so Clark.
Weil Burundi aber gegen Ende der 2000er-Jahre durch die internationale Finanzkrise plötzlich das Geld fehlte, sei diese Strategie nicht mehr aufgegangen. Der schrittweise Zusammenbruch des Staates in den vergangenen Jahren sei deshalb in vielerlei Hinsicht die zwangsläufige Folge des korrupten Regimes, das Nkurunziza aufgebaut habe, sagt Clark.
Präsident auf Lebenszeit?
Weil Nkurunziza seit Beginn der Unruhen 2015 verstärkt auf Repressionen und Gewalt zurückgreift, haben sich mittlerweile auch viele ehemalige Mitstreiter von ihm abgewandt. Einer von ihnen ist Onesime Nduwimana, Ex-Sprecher der CNDD-FDD. Im Gespräch mit der DW sagt er: "Man hat den Eindruck, dass Nkurunziza die Tragweite seiner Taten gar nicht sieht." Alles, was für ihn zähle, sei seine Macht.
Dass Pierre Nkurunziza von seiner Partei nun mit grandiosen Titeln wie "Visionär" und "ewiger oberster Führer" bedeckt wird, ist für Burundi-Experte Phil Clark ein Zeichen, dass der Präsident möglicherweise sogar über 2034 hinaus im Amt bleiben will. Dafür spreche auch, dass sich der extrem religiöse Nkurunziza immer wieder selbst als eine Art Messias oder Retter Burundis bezeichnet.
Wie es nach dem Verfassungsreferendum nun weitergeht, ist offen. 2020 stehen Präsidentschaftswahlen an, Experten halten eine weitere Eskalation der Gewalt für möglich. Mit Sorge schauen sie vor allem darauf, ob Nkurunziza nun verstärkt auf hetzerische und ethnisch aufgeladene Rhetorik setzt. "Wenn das der Fall ist, könnten sehr gefährliche Spannungen in der burundischen Gesellschaft angefacht werden", warnt Phil Clark.
Mitarbeit: Eric Topona