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Pinochet wird beerdigt

12. Dezember 2006

Die Trauerfeier für den Ex-Diktator Pinochet hat ein Schlaglicht auf die Spaltung Chiles geworfen: Anhänger des verstorbenen Generals protestierten, weil die Regierung ein Staatsbegräbnis verweigert hatte.

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Sohn und Enkelin von Pinochet am Grab des Ex-Diktators (Quelle: AP)
Sohn und Enkelin von Pinochet am Grab des Ex-DiktatorsBild: AP
Anhänger Pinochets mit Chile-Flagge und Plakaten(Quelle: AP)
Anhänger PinochetsBild: AP

60.000 Menschen haben bis kurz vor der Beisetzung Abschied von dem am Sonntag (10.12.2006) gestorbenen früheren chilenischen Diktator Augusto Pinochet genommen. Die Menschen warteten bis zu sieben Stunden, um an dem in einer Offiziersschule aufgebahrten Toten vorüberziehen zu können, berichten chilenische Medien. Angesichts des großen Andrangs habe die Militärführung erlaubt, die Offiziersschule die ganze Nacht geöffnet zu lassen, teilte der Vorsitzende der Stiftung Pinochet, Hernán Guillof, mit. Viele Menschen brachen in Tränen aus, einige küssten den Sarg und andere führten Plakate mit, auf denen "Gracias Tata" ("Danke Großvater") oder "Viva el salvador de Chile" ("Hoch lebe der Retter Chiles") stand.

Bachelet mahnt

Die sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet hatte dem toten Diktator ein Staatsbegräbnis, das ehemaligen Staatschefs normalerweise zusteht, verwehrt. Bachelet und ihre Mutter waren unter Pinochets Militärdiktatur (1973 bis 1990) misshandelt worden. Der Vater der Präsidentin starb in einem Gefängnis der Junta. Für den General im Ruhestand wurde deshalb nur eine Zeremonie mit militärischen Ehren vorbereitet. "Chile darf die Vergangenheit nicht vergessen", sagte Bachelet in ihren ersten öffentlichen Äußerungen zum Tod des einstigen Militärherrschers.

Als Vertreterin der Regierung nahm Verteidigungsministerin Vivianne Blanlot an dem Gottesdienst teil. "Hau ab", riefen Demonstranten der Politikerin bei ihrer Ankunft in der Militärakademie in Santiago zu.

Familie protestiert

Aus Angst vor einer Schändung des Grabes durch Gegner seines Militärregimes habe die Familie auf eine Erdbestattung verzichtet, sagte sein Sohn. Bis zuletzt war unklar, wo Pinochet nach der Einäscherung seine letzte Ruhe finden würde. Aus Familienkreisen verlautete, dass die Urne mit seiner Asche vermutlich in die Kapelle der Familienresidenz Los Boldos außerhalb von Santiago de Chile gebracht werde. Dies sei einerseits Ausdruck des Protests gegen die aus Sicht der Familie unwürdige Behandlung Pinochets durch den Staat und andererseits ein Schutz der Grabstätte vor der Öffentlichkeit.

Erinnerungen an die Opfer

Chilenen mit Fotos von vermissten Angehörigen (Quelle: AP)
Gedenken an die Opfer des Pinochet-RegimesBild: AP

Zeitgleich zu der Trauerfeier organisierten Pinochet-Gegner eine Kundgebung an dem in der Nähe des Präsidentenpalasts gelegenen Denkmal für Salvador Allende. Bereits am Vorabend hatte es Demonstrationen gegeben. Am späten Abend kam es zu vereinzelten Zusammenstößen, als die Polizei eine Demonstration von Angehörigen der Opfer auflöste.

Pinochet und seine Offiziere hatten den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 mit Unterstützung der USA in einem Putsch gestürzt. Zur Begründung hieß es, das Andenland müsse "vor dem Kommunismus gerettet werden".

Unter der Junta wurden mehr als 3000 linke Arbeiter und Gewerkschafter, kritische Intellektuelle und unbequeme Journalisten ermordet. Nachweislich wurden mindestens 28.000 Menschen gefoltert, vermutlich ist die Zahl der Folteropfer jedoch wesentlich höher. Zehntausende wurden ins Exil getrieben. (kas)