Nordkorea beunruhigt deutsche Politiker
5. April 2013Das Fernsehen in Nordkorea ist auf Krieg programmiert: Zwischen den vielen Militärfilmen laufe immer wieder ein kurzes Video, auf dem Machthaber Kim Jong Un seinen Generälen die Funktion einer Pistole zeigt, erzählt Manfred Grund: "Also alles martialisch und auf Kriegsrhetorik abgestellt." Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat über Ostern Nord- und Südkorea besucht - und war froh, als er wieder im Flugzeug saß.
Denn der Krieg ist nicht nur im Staatsfernsehen allgegenwärtig. Seit Monaten werden in der Region schärfste Geschosse aufgefahren. Erst führte Nordkorea im Dezember einen Raketentest durch. Nachdem daraufhin die UN die Sanktionen gegen die abgeschottete Militärdiktatur verschärfte, folgte wenig später auch ein unterirdischer Atomwaffentest. Seit Wochen rüsten die USA in die Region auf, um Südkorea beizustehen und die eigenen Militärstützpunkte zu schützen. Denn Nordkorea hat bereits mit einem "Präventivschlag" gegen die USA gedroht: Am Donnerstag (04.04.2013) verkündete die nordkoreanische Armee, dass ein Atomschlag gegen die USA endgültig genehmigt worden sei. Diese ließ daraufhin verkünden, sie habe "alle nötigen Vorsichtsmaßnahen eingeleitet."
Politiker setzen auf Deeskalation
Noch sitze in Pjöngjang keiner der europäischen Diplomaten und Entwicklungshelfer, darunter auch etliche Deutsche, auf gepackten Koffern, so der CDU-Politiker Grund. Aber alle teilten eine tiefe Besorgnis darüber, wie die Führung aus der Eskalationsspirale wieder herauskommen könne. Denn: "Im übertragenen Sinne ist der Sicherheitssplint aus den Waffen gezogen worden: Ein Zufall oder eine Unbedachtheit kann zu einer Situation führen, die nicht mehr steuerbar ist." Möglicherweise sogar bis hin zum Krieg.
Diese Sorge teilen viele Politiker in Deutschland - und setzen deshalb bewusst auf Deeskalation. Besonnenheit auf allen Seiten sei das Gebot der Stunde, mahnte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). China, als Nachbar und wichtigster Verbündeter Nordkoreas, solle mäßigend auf Pjöngjang einzuwirken. Am Freitag ließ Westerwelle den nordkoreanischen Botschafter in Berlin ins Auswärtige Amt zitieren. Dort sei ihm "in deutlichen Worten die sehr große Sorge der Bundesregierung angesichts der von Nordkorea zu verantwortenden Eskalation" vermittelt worden, so ein Sprecher der Außenministeriums.
Auch Johannes Pflug, SPD-Abgeordneter und Mitglied der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, glaubt, dass China und die USA gemeinsam mäßigend auf Nordkorea einwirken müssten. Gemeinsam müssten sie einen institutionellen Rahmen für internationale Gespräche schaffen, sagte Pflug, der zuletzt im Oktober in Nordkorea war.
Deutsche Vermittlerrolle?
Der CDU-Politiker Grund allerdings bezweifelt, dass China noch Einfluss auf die Führung in Pjöngjang hat. In Gesprächen mit chinesische Politikern und Militärs hätten diese sich brüskiert und irritiert gezeigt: "Nordkorea ist ihnen fremd geworden, sie haben keinen Einblick mehr in die Machtstrukturen." Auch in China gebe es die Befürchtung, dass nordkoreanische Waffen sich eines Tages vielleicht auch gegen sie richten könnten. In Peking, aber auch Pjöngjang habe Interesse an einer unparteiischen Vermittlerrolle durch Deutschland bestanden. "Die Nordkoreaner suchen auch gleichzeitig nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Weiterbildung ihrer Leute im Wirtschafts- und Handelsministerium." Die deutsch-koreanischen Beziehungen reichen weit zurück: Die ehemalige DDR war einer der wichtigsten Partner Nordkoreas im damaligen Ostblock. Heute ist Deutschland eines der wenigen westlichen Länder, das noch eine Botschaft in Pjöngjang unterhält.
Ob Nordkorea allerdings auf Druck der internationalen Gemeinschaft auf seine Atomwaffen verzichtet, bezweifelt Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. "Ich fürchte, von diesem Weg, Nuklearmacht zu werden, wird sich Nordkorea kaum noch abringen lassen", so Polenz. Nordkoreas wirtschaftliche Fähigkeiten reichten nicht mehr aus, um große konventionelle Streitkräfte zu finanzieren. "Deshalb verlegt man sich stärker auf die nukleare Komponente."
"80 Prozent Innenpolitik"
Auch SPD-Politiker Pflug glaubt nicht, dass sich "die Nordkoreaner ihre Atomwaffen wegverhandeln lassen." Er fürchtet, dass die Nachbarstaaten deshalb aufrüsten werden. Trotzdem ist er der Meinung, dass nach dem 15. April, der Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung, der mit großen Militärparaden gefeiert wird, Nordkorea seine Rhetorik wieder herunterschrauben werde. Denn letztlich handele es sich bei den Drohgebärden "zu 80 Prozent um Innenpolitik" des erst kürzlich angetretenen und sehr jungen Präsidenten Kim Jong Un.
"Das ist eigentlich ein junger Schnösel, der seine eigene Position gegenüber gestandenen Generälen, die schon unter seinem Vater gedient haben, festigen muss", glaubt auch Grund. Einen Krieg wolle letztlich niemand: Zum Abschluss seiner Reise habe er einigen hochrangigen Mitgliedern des Sicherheitsapparates einen Wimpel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegeben. "Ich habe gesagt: Es ist besser, Tore zu schießen als aufeinander." Das habe seinen Gastgebern in Nordkorea durchaus gefallen.