Premiere: Ai Weiweis "Human Flow" in Venedig
1. September 2017Ai Weiwei, Chinas bekanntester Künstler im Westen, hat für "Human Flow" mit seinen Teams in mehr als 20 Ländern gedreht, er besuchte Flüchtlingscamps in Griechenland, Frankreich, Kenia, Libanon und im Gazastreifen. Der 60-Jährige filmte an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, Serbien und Ungarn. Mal zeigt er, wie Flüchtlinge auf dem Mittelmeer gerettet werden, mal fängt die Kamera aus der Luft die Dimensionen eines Lagers ein.
All dies verknüpft der Künstler mit Kurzinterviews von Helfern, die die katastrophale Situation in ihren Regionen beschreiben. Außerdem blendet er Schlagzeilen wie Angela Merkels "Wir schaffen das" ein. So entsteht ein Mosaik der vielen Schicksale und Krisen, die in ihrer Gesamtheit eines der drängendsten Probleme unserer Zeit sind. "Wenn wir nur über Politik, Gesetze und technische Details sprechen, geht das am Thema vorbei", sagte Ai in Venedig. Stattdessen sei Menschlichkeit die Lösung. "Wir können alle bei uns selbst anfangen" - jeder könne etwas tun und helfen.
Gemischte Kritiken
Die Dreharbeiten begannen mit bescheidenen technischen Mitteln, wie Ai Weiwei am Freitag (01.09.2017) erzählte: "Ich habe das alles mit meinem iPhone angefangen." Dann aber habe er gemerkt, dass das Projekt größer wurde und eine Filmcrew zusammengestellt.
Bei einer Pressevorführung am Donnerstag (31.08.2017) bekam der Film Applaus, aber die ersten Kritiken sind durchwachsen. Die britische Tageszeitung "The Guardian" lobt "Human Flow" als "visuelles Gedicht, das episch und höchst menschlich" sei, während das Branchenblatt "Variety" es als "Flüchtlinge für Dummies" abtat und fehlende Tiefe bemängelte.
Flüchtlinge als zentrales Thema
Die deutsch-US-amerikanische Koproduktion ist einer von 21 Wettbewerbern im Rennen um den Goldenen Löwen. Dieser wird am 9. September verliehen. Festivaldirektor Alberto Barbera bezeichnete "Human Flow" bei der Präsentation der Wettbewerbsfilme als "ziemlich außergewöhnlich".
Das Schicksal der Flüchtlinge hat Ai Weiwei zum zentralen Thema seiner Arbeit gemacht. So präsentierte er im März 2017 in Prag ein 70 Meter langes Schlauchboot, auf dem 258 überlebensgroße, aufblasbare Figuren von Schutzsuchenden sitzen (Bild). Kritisiert wurde er 2016, als er ein Foto des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi am Strand der griechischen Insel Lesbos nachstellte.
Ai Weiwei hat persönliche Erfahrungen mit Heimatverlust und Vertreibung machen müssen: In seiner chinesischen Heimat wurde er 2011 verschleppt und inhaftiert, sein Pass wurde ihm abgenommen. 2015 konnte er nach Berlin ausreisen, wo er seitdem lebt und arbeitet.
Die DW-Autorinnen Bettina Kolb und Eva Mehl haben Ai Weiwei bei den Dreharbeiten zu "Human Flow" begleitet - zu sehen in der Dokumentation "Ai Weiwei Drifting".
ka/bb (dpa/AFP)