"Project 2025": Masterplan für Trumps zweite Amtszeit?
8. November 2024Am 20. Januar 2025 wird Donald Trump als 47. Präsident der USA den Amtseid auf den Stufen des Kapitols in Washington ablegen. Bis dahin bleibt ihm und seinem Team Zeit, um einen Fahrplan für die Regierungszeit zu entwerfen.
Oder gibt es den längst? Zumindest glauben nicht wenige, dass Trump hierfür auf ein circa 900 Seiten langes Manifest zurückgreifen könnte, das im Sommer große Wellen geschlagen hatte. Passend zum Zeitpunkt der Amtsübernahme nennt es sich "Project 2025". Es beinhaltet weitreichende Schritte, die die USA auf lange Sicht prägen könnten.
Die Sorge liberaler und progressiver Kräfte im Land könnte kaum größer sein - schließlich haben Trumps Republikaner nicht nur die Präsidentschaft, sondern auch die Mehrheit im Senat gewonnen und dürften auch das Repräsentantenhaus weiter kontrollieren. Diese Sorgen werden kaum davon zerstreut, dass Trump sich mehrfach von dem Papier distanziert hat.
Wer steckt hinter "Project 2025"?
Das "Project 2025" stellt einen rechts-konservativen Fahrplan für den nächsten republikanischen Präsidenten dar. Das inoffizielle politische Konzept für eine zweite Trump-Administration wurde von der Heritage Foundation erstellt und von vielen weiteren konservativen Organisationen und Thinktanks unterstützt.
Die Heritage Foundation erstellt schon seit Jahrzehnten derartige politische Wunschlisten für etwaige republikanische Präsidenten - ein solches Vorgehen sei in den USA üblich, sagt auch US-Politikwissenschaftler Hans Noel von der Georgetown University in Washington: "Experten, Analysten und andere entwickeln die ideologische Richtung, bevor sie von Parteien und Politikern übernommen wird", sagte Noel der DW im Vorfeld der Wahl.
An dem Papier beteiligt sind viele Persönlichkeiten aus Trumps Dunstkreis, etwa ehemalige Mitarbeitende und Verbündete wie Russell Vought, der in Trumps erster Amtsperiode zeitweise die US-Bundesbehörde Office of Management and Budget - das Amt für Verwaltung und Haushaltswesen - leitete.
Was sind wichtige Vorhaben?
In den Empfehlungen des "Project 2025" geht es insbesondere um die "vier Fronten, die über Amerikas Zukunft entscheiden werden": Die Wiederherstellung der Familie, die Abschaffung des Verwaltungsstaates, die Verteidigung der nationalen Souveränität und die Sicherung "unserer gottgegebenen individuellen Freiheitsrechte".
Hier einige grundlegende Vorschläge:
- Der Präsident soll deutlich mehr Macht bekommen. Die Ersetzung von Bundesbediensteten durch Trump-treue Mitarbeiter soll erleichtert werden, mehrere Bundesbehörden - wie etwa das Justizministerium - sollen neu aufgestellt oder sogar abgeschafft werden. "Dies würde die Bürokratie in einer Weise umgestalten, die sowohl das Fachwissen als auch die Unabhängigkeit untergräbt", ordnet Noel ein.
- In Sachen Energiepolitik und Wirtschaft soll eine Kehrtwende her, und statt auf erneuerbare Energien wieder mehr auf Öl und Gas gesetzt werden. Der Fokus soll nicht mehr auf der Reduktion von Emissionen und auf grünen Subventionen liegen. Die Unternehmens- und Einkommensteuern sollen gesenkt werden.
- Begriffe wie sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder reproduktive Rechte hätten in Verordnungen und Gesetzen nichts zu suchen, heißt es. Die "schädlichen Lehren der 'kritischen Rassentheorie' und der 'Gender-Ideologie' sollen aus den Lehrplänen aller öffentlichen Schulen des Landes gestrichen" werden. In Sachen Abtreibung sei es Aufgabe der nächsten konservativen Regierung, "das Ungeborene in jeder Gerichtsbarkeit Amerikas zu schützen" und unter anderem die Abtreibungspille Mifepristone zu verbieten.
- "Die eklatanten Schlupflöcher in unserem Einwanderungssystem" sollen gestopft werden - unter anderem durch mehr Mittel für eine Mauer, Technologie und Personal an der Grenze zu Mexiko. Aber auch mit einem strengeren Asylrecht, in dem Geflüchtete etwa das Risiko einer Verfolgung besser nachweisen müssen.
- Supranationale Verpflichtungen sollen keinen Vorrang vor inneramerikanischen Interessen haben. Die NATO soll so umgestaltet werden, dass die anderen Verbündeten mehr Eigenverantwortung übernehmen. Die Truppenstärke der USA in Europa soll verringert, gleichzeitig aber mehr Geld ins Militär gesteckt werden.
- Bezüglich des Ukraine-Kriegs werden zwei miteinander konkurrierende Standpunkte vorgestellt: Einigen Konservativen scheint ein fortgesetztes Engagement der USA einschließlich militärischer Hilfe und wirtschaftlicher Unterstützung notwendig. Andere bestreiten, dass die Unterstützung der Ukraine "überhaupt im nationalen Sicherheitsinteresse Amerikas liegt. Die Ukraine ist kein Mitglied des NATO-Bündnisses und eine der korruptesten Nationen in der Region", heißt es.
Welche Bedeutung hat das Strategiepapier?
Kevin Roberts, Präsident der Heritage Foundation, ist laut eigener Aussage überzeugt, mit seinem Strategiepapier eine "Zweite Amerikanische Revolution" einzuläuten, "die unblutig bleiben wird, wenn die Linke es zulässt".
Daraufhin hat die Reaktion der Gegenseite nicht lange auf sich warten lassen. Präsident Joe Biden erklärte vor seinem Ausscheiden aus dem Wahlkampf im Sommer, Trump und seine Verbündeten träumten "von einer gewaltsamen Revolution, um die Idee Amerikas zu zerstören". So äußerte sich Biden vor dem Attentat auf Donald Trump; heute würde er das möglicherweise anders formulieren.
Politikexperte Noel findet, das Besondere am "Project 2025" sei, wie umfangreich die Strategie für den Fall einer republikanischen Präsidentschaft sei. "Zum einen wird damit die Agenda der derzeitigen konservativen Bewegung festgelegt."
Und zum anderen werde den Republikanern ein Fahrplan an die Hand gegeben, der sie sofort regierungsfähig mache, sowohl programmatisch als auch personell. Genau das war bei Donald Trumps Amtsantritt 2016 nicht glattgelaufen und wurde immer wieder kritisiert.
Warum hat Donald Trump sich distanziert?
Interessanterweise hat Trump sich im Wahlkampf öffentlich von "Project 2025" distanziert. In seinem eigenen sozialen Netzwerk "Truth Social" schrieb er im Juli: "Ich habe keine Ahnung, wer dahinter steckt. Ich stimme mit einigen der Dinge, die sie sagen, nicht überein, und einige Dinge, die sie sagen, sind absolut lächerlich und abgrundtief. Was auch immer sie tun, ich wünsche ihnen Glück, aber ich habe nichts mit ihnen zu tun."
In der TV-Debatte mit der Demokratin Kamala Harris im September äußerte Trump sich ähnlich: "Ich habe nichts mit dem Project 2025 zu tun. Ich habe es nicht gelesen und ich werde es nicht lesen."
Experte Hans Noel erklärte vor der Wahl die Strategie hinter dieser Aussage so: Unklar in Bezug auf einige konservative Ziele zu bleiben, habe sich in der Vergangenheit für Trump ausgezahlt und ihm Erfolg bei Wechselwählern beschert. Und viele Maßnahmen in dem rechtskonservativen Manifest dürften bei dieser Gruppe kaum gut ankommen.
Wie dicht Trump in seiner zweiten Amtszeit tatsächlich an die Ideologie des "Project 2025" heranrückt, wird sich wohl ab Januar 2025 erweisen.