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Starregisseur Serebrennikow in Hamburg

11. Januar 2022

Der international bekannte Regisseur Kirill Serebrennikow darf am Thalia Theater proben. Dabei war nicht damit zu rechnen, dass er Russland verlassen darf.

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Kirill Serebrennikov bei seiner Ankunft in Hamburg mit Daunenjacke
Kirill Serebrennikov bei seiner Ankunft in HamburgBild: Fabian Hammerl

"Ich wahr sehr überrascht und konnte das Ganze erst glauben, als Kirill Serebrennikow am vergangenen Samstag tatsächlich in Hamburg gelandet war", sagt der Thalia-Intendant Joachim Lux gegenüber der DW. Sowohl Lux als auch andere Mitwirkende der Inszenierung von Tschechows Erzählung "Der schwarze Mönch" am Thalia Theater in Hamburg mussten bis zuletzt davon ausgehen, dass der Regisseur bei den Bühnenproben in Deutschland per Zoom aus Moskau zugeschaltet werden würde.

Der international gefeierte Oper-, Film- und Theaterregisseur mit klarer politischer Haltung wurde im Sommer 2017 unter Hausarrest gestellt. Ihm wurde Veruntreuung von staatlichen Subventionen vorgeworfen, die in sein Theaterprojekt "Gogol-Сenter" geflossen sein sollen. Nach einem zähen zweijährigen Prozess wurde Serebrennikow zu drei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt und mit einem Ausreiseverbot aus Russland belegt.

Regisseur Serebrennikow und Mitarbeiter bei den Proben zu der Oper "Die Nase" an der Bayerischen Staatsoper
Regie auf Distanz: In den Jahren seines Hausarrestes hat Serebrennikow per Videokonferenz gearbeitetBild: Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Serebrennikows Reiseverbot vorübergehend außer Kraft

Dieses ist nun vorübergehend aufgehoben: "Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Kirill die angeblich veruntreuten Gelder zurückgezahlt hat und deswegen jetzt reisen darf, obwohl seine Bewährungsstrafe noch bis Sommer 2023 Gültigkeit hat", mutmaßt der Thalia-Intendant im DW-Gespräch. Was genau die russische Justiz zu der Aufhebung des Verbots bewegt hat, ist nicht bekannt. Russische Beobachter, wie etwa die Theaterkritikerin Marina Davydova, vermuten eine Entscheidung "von ganz oben", zumal der Fall von Kirill Serebrennikow von Anfang an ein Politikum war.

Auf jeden Fall freuen sich Lux und seine Belegschaft darüber, ihren Freund und Kollegen in Hamburg begrüßen zu dürfen: "Das ist eine Ermutigung für die Idee der Freiheit und auch für die Kunst. Ich kenne kaum einen Künstler, der mit so großer Menschenfreundlichkeit, innerer Unabhängigkeit und Kompromisslosigkeit für die Freiheit der Kunst brennt und lebt, wie Serebrennikow", so Lux.

Serebrennikow: "Ich darf wieder arbeiten"

Für Kirill Serebrennikow, der seit viereinhalb Jahren zum ersten Mal wieder in Präsenz inszeniert, ist die Reise nach Hamburg ein Befreiungsschlag: "Ich bin sehr froh und glücklich, dass Hamburg die erste europäische Stadt ist, in der ich wieder arbeiten darf!", sagte er bei seiner Ankunft in der Hansestadt.

Kirill Serebrennikow und Joachim Lux in Hamburg, 8. Januar 2022
Kirill Serebrennikow und Joachim Lux bei der Ankunft am 8. Januar 2022 in HamburgBild: Fabian Hammerl

Trotz juristischer Verfolgung hat der Regisseur ununterbrochen weitergearbeitet und aufsehenerregende Projekte realisiert, wie etwa das Ballett"Nurejew" am Bolschoi-Theater in Moskau, den Spielfilm "Leto", der unter anderem in Cannes präsentiert wurde, oder die Bühnenproduktion "Barock", die von russischen Kritikern zum "Theaterstück des Jahres 2019" gewählt wurde. Sogar international blieb Serebrennikow aktiv: So inszenierte er zum Saisonauftakt der Bayrischen Staatsoper im Oktober 2021 Dmitri Schostakowitschs Jugendwerk "Die Nase". Dabei deutete Serebrennikow Gogols Sujet als zugespitzte Karikatur der aktuellen gesellschaftlichen Situation in Russland mit ihrer stark eingeschränkten Freiheit. Gearbeitet hat Serebrennikow dabei mit Hilfe seiner Assistenten in München und per Video-Schalten, auch beim Schlussapplaus der gefeierten Premiere wurde der Regisseur aus Moskau zugeschaltet.

"Der Schwarze Mönch": "Director‘s Choice"

Für seine erste Arbeit "in Präsenz" hat sich Serebrennikow nun eine ziemliche Rarität ausgesucht - die Erzählung "Der schwarze Mönch" von Anton Tschechow, die als eines der rätselhaftesten Werken des großen russischen Dramatikers gilt.

Das nur mit vier Personen besetzte Mini-Drama in Form einer philosophischen Novelle handelt von einem Universitätsprofessor, der vom Trugbild eines schwarzen Mönches verfolgt wird. "Für diese Erzählung, die in Russland sehr berühmt und in Deutschland komplett unbekannt ist, gibt es keine klare Lesart", meint Joachim Lux. "Der Konflikt ist, wenn man so will, die Kluft zwischen der Notwendigkeit des normalen durchschnittlichen bürgerlichen Lebens einerseits und dem andererseits Wunsch des Menschen, groß und besonders, vielleicht sogar genialisch zu sein."

Szene aus der Oper "Die Nase" in München
Serebrennikows Inszenierungen sind provokant und politisch - hier eine Szene aus der Oper "Die Nase" in MünchenBild: Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Als Bühnenstück wurde Tschechows Erzählung nie interpretiert, und genau das könnte die Entscheidung des Regisseurs beeinflusst haben. Kirill habe erzählt, in Moskau ließe sich jeden Abend zehnmal "Der Kirschgarten" und achtmal "Die Möwe" ansehen, das finde er total langweilig, so Lux. Beteiligt an der Produktion ist ein internationales Ensemble mit russischen, deutschen, amerikanischen, armenischen und lettischen Künstlern. Die sechswöchigen Vorproben fanden in Moskau ab dem 8. November statt. In Hamburg ist die Premiere für den 22. Januar geplant. Gleich danach wird Serebrennikow nach Russland zurückreisen - für ein "internationales Filmprojekt", so die offizielle Begründung.