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Reparaturversuche in Ankara

Thomas Seibert, Istanbul 21. November 2014

US-Vizepräsident Joe Biden reist nach seinem Besuch in Kiew weiter in die Türkei. Die Stimmung zwischen Washington und Ankara ist angespannt - nach Meinungsverschiedenheiten zum Syrien-Konflikt.

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US-Vizepräsident Joe Biden (links) und der türkische Staatschef Erdogan (Foto: Anadolu Agency)
US-Vizepräsident Biden (l.) und der türkische Staatschef Erdogan im September in New YorkBild: picture alliance/AA

Joe Biden ist dafür bekannt, dass er hin und wieder Dinge ausspricht, die andere Politiker lieber für sich behalten. Und vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weiß man, dass er meistens empfindlich auf Kritik reagiert. Deshalb war es kein Wunder, dass Biden mit einer Äußerung Anfang Oktober den Zorn des türkischen Staatschefs auf sich zog. Erdogan habe ihm gegenüber eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, islamistischen Kämpfern den Transfer von der Türkei über die Grenze nach Syrien zu ermöglichen, sagte Biden. Daraufhin forderte Erdogan umgehend eine Entschuldigung, die Biden auch lieferte.

Dieser Schlagabtausch war symptomatisch für die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und den USA in Bezug auf die Syrien-Politik. Washington hat den Kampf gegen die Dschihadisten-Miliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak aufgenommen und lässt IS-Stellungen in der nordsyrischen Stadt Kobane unmittelbar an der türkischen Grenze aus der Luft bombardieren. Ankara vertritt aber die Position, dass sich das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft auf einen Sturz des Regimes des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad konzentrieren sollte.

Waffenlieferung an Kurden

Aus diesem Gegensatz erwuchsen in den vergangenen Wochen teils heftige Wortgefechte. Erdogan warf den USA vor, mit dem Einsatz in Kobane eine Terrororganisation zu unterstützen, nämlich die dort gegen den IS kämpfende Kurdenpartei PYD, einen Arm der Kurdenrebellen von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Waffenlieferungen der USA an die PYD erfolgten, obwohl sich Erdogan dagegen ausgesprochen hatte.

Rauchwolken über der syrischen Stadt Kobane, in der Nähe der türkischen Grenze (Foto: Reuters)
Kampf um Kobane: Bei der Syrien-Politik gibt es Differenzen zwischen Washington und AnkaraBild: Reuters/O. Orsal

Nun soll Biden bei seinem Besuch in Ankara versuchen, die Risse zu kitten. Aus Sicht des Politologen Behlül Özkan, einem Experten für türkische Außenpolitik an der Istanbuler Marmara-Universität, dürfte es sich als sehr schwierig erweisen, die Gegensätze zu überbrücken. "Die USA wollen den IS loswerden", sagte Özkan im DW-Gespräch. Das türkische Ziel einer Entmachtung Assads gehöre dagegen nicht zu den Prioritäten Washingtons. Dennoch würden beide Seiten versuchen, Bereiche übereinstimmender Interessen zu finden.

Türkische Regierungsvertreter berichteten in den Tagen vor dem Besuch des US-Vizepräsidenten, Washington nähere sich der türkischen Position an. Er habe diesbezüglich starke Signale erhalten, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach einem Gespräch mit dem US-Präsidenten Barack Obama am Rande des G20-Gipfels in Australien.

Die Lage in der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo verleiht den Bemühungen um ein Ende der türkisch-amerikanischen Gegensätze eine neue Dringlichkeit. Nach einem Rückzug der vom Westen unterstützten Rebellenarmee FSA aus Aleppo soll die Stadt kurz vor der Einnahme durch syrische Regierungstruppen stehen. Eine neue Flüchtlingswelle in die nur 60 Kilometer entfernte Türkei wäre in diesem Fall wahrscheinlich.

"Keine US-Pläne zur Entmachtung Assads"

Ferhat Pirincci, Politologe an der Uludag-Universität im nordwesttürkischen Bursa, sieht angesichts der Lage in Syrien die Notwendigkeit für die USA, ihre Haltung zu ändern. Obama brauche für den Kampf gegen den IS verbündete Bodentruppen vor Ort, sagte Pirincci im DW-Interview. Deshalb müssten die USA bei diesem Thema aktiv werden, um Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien (Foto: DW)
Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen Syrien und der TürkeiBild: DW/J. Hahn

Asli Aydintasbas, Kolumnistin der Istanbuler Zeitung "Milliyet", rät den türkischen Politikern allerdings, sich nicht der Illusion hinzugeben, dass Washington seine Politik in Syrien ändern und gegen Assad vorgehen werde. Zwar verurteilten US-Regierungsvertreter den syrischen Präsidenten mit ähnlich scharfen Worten wie deren türkische Kollegen, sagte Aydintasbas der DW: "Aber das heißt überhaupt nichts. Es gibt keinerlei Pläne für eine Entmachtung Assads." Für die USA bleibe die Bekämpfung der Terrormiliz IS das Hauptziel in Syrien.

Laut Einschätzung von Aydintasbas könnten die USA durchaus bereit sein, mit der Türkei zu kooperieren, um eine weitere humanitäre Katastrophe in Syrien zu verhindern - etwa, wenn Aleppo fallen würde. Doch daraus eine Bereitschaft der USA zum Kampf gegen Assad herauszulesen, sei falsch.