Palin schlägt zurück
4. September 2008Eine Woche nach der Wahl von Barack Obama zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten haben die Republikaner am Mittwoch (03.09.2008) offiziell John McCain zu ihrem Spitzenbewerber ernannt. Eigentlicher Höhepunkt des Abends war aber die Rede von Sarah Palin, die von den 2400 Delegierten des Parteitages in Minneapolis-St. Paul zur Vizekandidatin nominiert wurde.
Darin ging die 44-Jährige nach der anhaltenden Kritik wegen ihrer politischen Unerfahrenheit in die Offensive. Sie äußerte sich stolz über ihre bisherige Arbeit als Bürgermeisterin eines Dorfes und Gouverneurin und griff massiv und oft auch mit spöttischem Unterton den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama als elitären und karriereorientierten Opportunisten an, der große Reden schwinge, aber wenig vorzuweisen habe. Harsche Kritik äußerte sie auch an den Medien, nachdem sie in den vergangenen Tagen wegen der Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter in die Schlagzeilen geraten war. Fernsehkommentatoren äußerten sich in ersten Reaktionen positiv: Palin habe sich gut geschlagen.
Erste Vizin der Republikaner
Palin ist die erste republikanische Vizekandidatin in der US-Geschichte. 1984 hatte der Demokrat Walter Mondale mit Geraldine Ferraro als seiner Nummer Zwei gegen Ronald Reagan verloren.
McCain, der an diesem Donnerstag seine Antrittsrede halten wird, wäre im Fall seines Sieges am 4. November der älteste Politiker, der jemals neu ins Weiße Haus gezogen ist. McCain zeigte sich kurz nach der Rede Palins erstmals vor den Delegierten und gratulierte seiner Kandidatin zu ihrem Auftritt. "Glauben Sie nicht, dass ich die richtige Wahl getroffen habe?" fragte der Kandidat.
Radikale Äußerungen
Nach der am vergangenen Freitag bekanntgegebenen überraschenden Entscheidung McCains für Palin machten die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter und eine umstrittene Entlassung eines Regierungsbeamten in Alaska Schlagzeilen. Auch zurückliegende Äußerungen der Vize-Kandidatin schockierten gemäßigte Parteimitglieder. Der Krieg der USA im Irak ist nach Palins Worten eine "von Gott gegebene Aufgabe". Wie außerdem bekannt wurde, bezeichnete Palin in einer Rede, die sie im Juni vor Theologiestudenten in Alaska gehalten hat, den Bau einer 30 Milliarden Dollar teuren Gaspipeline als "Gottes Willen". Sie forderte die Studenten auf, sowohl für die Truppen im Irak als auch für die Verwirklichung des Pipeline-Projekts zu beten. Ein Video von der Rede in einer Kirchengemeinde tauchte jetzt im Internet auf.
Konkret ging die strikte Gegnerin von Abtreibung und Sexualkunde in ihrer Rede am Mittwoch weder auf die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter Bristol noch auf besagte Rede ein. Bristol und der Vater des Kindes, den sie heiraten will, saßen jedoch während der Rede auf der Zuschauertribüne. An die Adresse ihrer Kritiker sagte sie lediglich: "Hier ist meine Eilmeldung für all diese Reporter und Kommentatoren: Ich gehe nicht nach Washington, damit sie eine gute Meinung von mir bekommen. Ich gehe nach Washington, um den Menschen in diesem großartigen Land zu dienen." Die Kandidatin präsentierte sich vor den jubelnden Delegierten als eine Politikerin, die sich in ihrer Zeit als Gouverneurin als Reformerin erwiesen und sich nicht gescheut habe, gegen Parteifilz und Lobbyisten-Einfluss vorzugehen. Gemeinsam mit McCain werde sie "Washington aufmischen", sagte Palin.
Angriffe auf Obama
Mit offensichtlichem Bezug auf Obamas Wahlkampfmotto erklärte Palin, es gebe in der Politik einige Kandidaten, die "Wandel" benutzten, um ihre Karrieren zu fördern. John McCain benutze dagegen seine Karriere, um Wandel zu bewirken. Mit Blick auf den Irakkrieg warf sie Obama außerdem vor, dass Wort Sieg nur in den Mund zu nehmen, wenn es um den Wahlkampf gehe.
McCains Entscheidung für Palin hatte auch bei den Republikanern größte Überraschung ausgelöst, nachdem zuvor Prominente wie der Ex-Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, und der frühere Heimatschutzminister Tom Ridge als Anwärter auf den Posten gegolten hatten. Palin war demgegenüber außerhalb Alaskas praktisch unbekannt, bevor McCain sie an seine Seite rief. Seine Entscheidung wird vor allem als Versuch gewertet, die konservative Basis zufriedenzustellen und zugleich die Stimmen enttäuschter ehemaliger Anhängerinnen der Demokratin Hillary Clinton und moderater Wähler zu gewinnen. (mag)