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Alte Vorwürfe neu aufgerollt

Robert Schwartz22. Oktober 2015

Dem rumänischen Ex-Präsidenten Ion Iliescu werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er muss sich wegen der brutalen Niederschlagung einer anti-kommunistischen Revolte von 1990 vor Gericht verantworten.

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Ion Iliescu Präsident Rumänien 2003 (Foto: TARIK TINAZAY/AFP/Getty Images)
Bild: Tinazay/AFP/Getty Images

Der 85-jährige frühere rumänische Staatspräsident Ion Iliescu soll laut Anklage im Juni 1990 tausende Bergearbeiter aus Westrumänien nach Bukarest gerufen haben, um die anti-kommunistischen Proteste der Opposition zu beenden. Bei dem brutalen Einsatz der Bergleute, der unter dem namen "Mineriade" in die rumänische Geschichte einging ("miner" = Bergmann), wurden mindestens vier Menschen getötet, mehr als Eintausend erlitten Verletzungen.

Der Alt-Kommunist Iliescu hatte im Dezember 1989, nach dem Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu, die Macht übernommen und war im darauffolgenden Mai mit großer Mehrheit zum Staatspräsidenten gewählt worden. Die noch junge liberal-demokratische Opposition sprach von erheblichen Manipulationen bei der Vorbereitung der Wahlen und rief zu friedlichen Dauerprotesten im Zentrum der Hauptstadt Bukarest auf. Überwiegend junge Menschen hatten im April 1990 auf dem Platz der Universität ein Zeltlager eingerichtet und den Platz selbst zur "Zone frei von Neo-Kommunismus" erklärt. Die friedlichen Proteste richteten sich gegen die kommunistischen Wendehälse und Mitglieder der zwar aufgelösten aber immer noch gefürchteteten Geheimpolizei "Securitate", die sich im neuen Machtapparat breitgemacht hatten.

Bergarbeiter in Bukarest, Rumänien 1990 (Foto: picture-alliance)
Bergarbeiter verprügeln im Juni 1990 auf offener Straße einen DemonstrantenBild: picture-alliance

Am 13. Juni 1990 folgten tausende Bergarbeiter dem Ruf der neuen Machthaber aus Bukarest und griffen die Demonstranten brutal an. Vor allem "intellektuell" aussehende Menschen - also Brillenträger, bärtige oder langhaarige Studenten sowie besser gekleidete Menschen - wurden mit Schlagstöcken, Stangen und Beilen gejagt. Die anti-kommunistische friedliche Dauerkundgebung wurde zwei Tage später, am 15. Juni, blutig beendet. Präsident Iliescu bedankte sich offiziell bei den Bergarbeitern und feierte sie als "Retter der neuen Demokratie".

Fall neu aufgerollt

Schon 2005 war Iliescu wegen der "Mineriade" angeklagt worden, zwei Jahre später wurde das Verfahren aber eingestellt. Iliescu, Staatspräsident zwischen 1990-1996 und 2000-2004, hat seither mehrmals betont, er habe sich in Bezug auf die damaligen Ereignisse nichts vorzuwerfen.

Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft in Bukarest den Fall neu aufgerollt, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Rumänien wegen mehrerer Ermittlungsfehler in dem Fall verurteilt hatte. Die Anklage lautet nun auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Iliescu wird offiziell verdächtigt, als amtierender Staatschef für die Gewalt gegen Regierungsgegner sowie für den Tod von vier Menschen mitverantwortlich zu sein. Mitangeklagt ist auch sein damaliger Geheimdienstchef Virgil Magureanu. Gegen weitere frühere Regierungsmitglieder wird ebenfalls ermittelt.

Aufarbeitung der Vergangenheit

Die "Mineriade" vom 13.-15. Juni 1990 gilt als blutiger Höhepunkt einer ganzen Reihe repressiver Maßnahmen gegen die neu geformte liberal-demokratische Opposition. Die neuen Machthaber um den Reform-Kommunisten Ion Iliescu hatten sofort nach dem Sturz des Diktators die Kontrolle über die staatlichen Institutionen – auch über Rundfunk und Fernsehen – übernommen und jegliche demokratische und anti-kommunistische Form der Opposition als rechtsextremistisch und faschistisch eingestuft. Bereits bei Protestaktionen der neu-gegründeten konservativen und liberalen Parteien im Februar 1990 hatte die ex-kommunistische Übergangsregierung Bergarbeiter in die Hauptstadt bringen lassen. Die offizielle Erklärung dafür lautete damals schon, die Bergarbeiter seien freiwillig in die Hauptstadt gekommen, um die "Errungenschaften" der Revolution vom Dezember 1989 zu verteidigen.

Bergarbeiteraufstand in Bukarest 1990 (Foto:picture-alliance)
Bei Demonstrationen gegen Illiescu kamen vier Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletztBild: picture-alliance

Dass nun die blutige "Mineriade" auf Druck des EGMR neu aufgerollt wird, lässt viele der Opfer von damals hoffen, dass die Gerechtigkeit endlich siegen und die Verantwortlichen ihrer gerechten Strafe zugeführt würden. Eine Garantie dafür gibt es nicht, die rumänische Justiz geht manchmal seltsame Wege. Für die Demokratie in Rumänien aber könnte es ein wichtiger Schritt im zögerlichen Prozess der Aufarbeitung der kommunistischen und neo-kommunistischen jüngsten Vergangenheit sein.