RWE prüft Ausstieg aus Nabucco-Pipeline
14. Mai 2012RWE prüfe, ob seine "kommerziellen und strategischen Vorstellungen immer noch bewahrt sind", sagte eine Konzernsprecherin am Montag (14.05.) in Essen. Sie bestätigte damit in Teilen einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Das Magazin schreibt in seiner aktuellen Ausgabe, RWE-Manager hätten Politiker in Brüssel und Berlin darauf vorbereitet, dass sich der Konzern aus dem Pipeline-Projekt zurückziehen könnte.
Ende April hatte bereits der halbstaatliche ungarische Energiekonzern Mol mitgeteilt, sich aus dem Projekt verabschieden oder zumindest seinen Anteil stark verringern zu wollen. Hintergrund sollen die Kosten des Pipelinebaus sein. Ursprünglich waren rund acht Milliarden Euro veranschlagt worden. Doch seitdem sind die Kosten explodiert. "Nabucco kostet 12 bis 15 Milliarden Euro", sagte der für Energie zuständische EU-Kommissar Günther Oettinger schon im Mai 2011. Hinzu kommt, dass es noch immer keine belastbaren Verträge mit Aserbaidschan und Turkmenistan gibt, die über gewaltige Gasvorkommen verfügen.
Abhängigkeit von Gas aus Russland
Das Nabucco-Projekt sieht den Bau einer mehr als 3.000 Kilometer langen Pipeline vom Osten der Türkei bis nach Österreich vor. Sie soll Erdgas aus Aserbaidschan und Turkmenistan nach Europa transportieren. Die Europäische Union hofft, so ihre Abhängigkeit von Russland zu verringern. Von dort stammt etwa ein Viertel des Gasbedarfs der EU. "Wir wollen Gas aus Russland von den Russen, aber Gas aus anderen Staaten direkt", so der für Energie zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger noch im Februar.
Sollten sich RWE und Mol aus Nabucco zurückziehen, könnte das für die Pipeline das Aus bedeuten. Dann nämlich blieben nur noch vier Partner im Nabucco-Konsortium: der österreichische Energieversorger OMV, der das Projekt initiiert hat, Transgaz aus Rumänien, Bulgargaz aus Bulgarien und Botas aus der Türkei. Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer ist für RWE und OMV als politischer Berater tätig.
EU-Energiekommissar Oettinger hat sich nach Anfrage von DW nicht zu einem möglichen Ausstieg von RWE geäußert. Das Ziel der Kommission sei es immer gewesen, den südlichen Gas-Korridor zu öffnen, um den Gasmarkt der EU direkt mit den weltgrößten Gasvorkommen im Kaspischen Meer und dem Nahen Osten zu verbinden, teilte eine Sprecherin mit. Weil es bei Nabucco klare Abkommen zwischen allen beteiligten Staaten gibt, hält die EU die Nabucco-Pipeline für besonders geeignet, dieses Ziel zu erfüllen. "Doch die Kommission unterstützt alle Pipelines in die EU, nicht nur Nabucco", heißt es in der Mitteilung.
Die Pipelines von Gazprom
Russland, das den Löwenanteil der Gaslieferungen in die EU abdeckt, steht der Nabucco-Pipeline ablehnend gegenüber, weil es dadurch seinen Einfluß im Gasgeschäft gefährdet sieht. Die Russen setzen auf zwei Alternativen. Die sogenannte Nord Stream Pipeline, die russisches Gas durch die Nordsee nach Deutschland bringt, wurde im November 2011 eingeweiht. Mehrheitseigentümer sind der russische Gasmonopolist Gazprom, außerdem die deutschen Konzerne Eon und Wintershall, GDF Suez aus Frankreich und Gasunie aus den Niederlanden. Der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder unterzeichnete im September 2005 eine Absichtserklärung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Bau der Pipeline. Nach seinem Abschied aus der Politik wurde Schöder Aufsichtsratsvorsitzender der Pipeline-Betreibergesellschaft.
Ein weiteres Gazprom-Projekt, die sogenannte South Stream Pipeline, befindet sich noch in Planung. Sie soll russisches Gas unter dem Kaspischen Meer nach Italien leitet. Ursprünglich war eine Lieferung nach Österreich geplant, aber weil der staatliche österreichische Energiekonzern OMV die Konkurrenz-Pipeline Nabucco unterstützt, änderten die Russen ihre Pläne.
Weder die nördliche noch die südliche russische Pipeline sind freilich geeignet, die Europäische Union unabhängiger von russischem Gas zu machen. Die EU-Kommission verweist daher auf weitere geplante Pipelines: etwa die Trans Adriatic Pipeline (TAP), die von Griechenland über Albanien durch die Adria bis nach Süditalien verlaufen soll oder die South East Europe Pipeline, die von der Osttürkei bis nach Österreich führen soll. Doch selbst um Nabucco scheint sich Energiekommissar Oettinger noch keine Sorgen zu machen. So habe das Nabucco-Konsortium auch in der Vergangenheit neue Partner willkommen geheißen, während sich alte Anteilseigner verabschiedet hätten. "Dieser Prozess wird weitergehen, bis ein realisierbares Projekt gefunden ist", so die Kommission.