Safer Internet - für wen?
7. Februar 2012Die deutsche Bundesregierung sucht bei der Bewältigung der sich ständig ändernden Herausforderungen durch das Internet traditionell den Schulterschluss mit der deutschen Wirtschaft. Nun schon zum fünften Mal gab es zum "Safer Internet Day", dem internationalen Tag für Sicherheit im Internet, deshalb eine gemeinsame Veranstaltung mit dem führenden "Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien" (Bitkom). Rund 200 Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft kamen am Dienstag (07.02.2012) nach Berlin, um sich über das Thema "Mobiles Internet: Ja, sicher! Smartphones, Apps. und Co." auszutauschen.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner betonte bei der Eröffnung, dass es der Politik darum gehe, für ein sicheres Leben im mobilen Internet zu sorgen und die Potentiale für die Verbraucher zu nutzen, dabei aber auch die Entwicklung der Branche voranzutreiben. "Wir wollen gemeinsam für Bewegung sorgen", so Aigner.
Smartphones und Apps boomen
Die Handy-Branche entwickelt sich prächtig. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland erstmals mehr Handys als stationäre PCs verkauft. Einer neuen Forsa-Studie zufolge ist jeder vierte Deutsche mit einem sogenannten Smartphone und mit Apps mobil im Internet unterwegs. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar schon 60 Prozent. Doch die meisten von ihnen fühlen sich nicht ausreichend informiert oder sorgen sich um die Sicherheit ihrer Daten, besagt die Studie außerdem.
Die typische deutsche Skepsis zeige auch sich bei der mobilen Kommunikation, sagte Heinrich Arnold, Geschäftsführer der Telekom-Laboratories. Und das sei gut so. "Wir beschäftigen uns mehr mit dem Thema Datensicherheit als viele andere Länder in der Welt". Für die deutsche Wirtschaft sei dies letztlich ein Wettbewerbsvorteil, passende Technologien zu entwerfen und zu verkaufen, so Arnold.
EU will einheitlichen Datenschutz
Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die nationalen Datenschutzrichtlinien harmonisiert, also europaweit angepasst werden. Dies soll im Rahmen einer Novelle der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 umgesetzt werden, die Ende Januar von EU-Kommissarin Viviane Reding der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Bundesministerin Aigner unterstrich, wie wichtig diese Novelle sei: "Wir haben heute eine völlig neue Lebenswirklichkeit als noch 1995 durch das Internet und brauchen deshalb auch ein neues Datenschutzrecht." Doch neben der gebotenen Eile sei auch entsprechende Sorgfalt wichtig. Auch deshalb, weil es bei den Regelungen zu Smartphones noch erheblichen Nachholebedarf gebe. Hier sei das Sicherheitsniveau schlechter als bei PCs oder Notebooks.
Positiv hob Aigner das von der EU geplante Widerspruchsrecht hervor, falls persönliche Daten ohne Einwilligung übermittelt wurden. Auch sollen Kostenfallen im Internet wie zum Beispiel bei Horoskopen über das Telefon beseitigt werden. Ein Gesetzesentwurf dazu liege bereits im Vermittlungsausschuss. Wichtig sei zudem das geplante Recht, vergessen zu werden - Daten sollen sowohl im Internet als auch auf den Servern löschbar sein. Die EU-Novelle spricht sich zudem dafür aus, datenschutzfreundliche Grundeinstellungen zum Standard zu machen. Ortungsfunktionen auf dem Handy müssten so erst ein- und nicht ausgestellt werden, wenn man ein neues Gerät gekauft hat. Hier hätten die Anbieter eine Bringschuld einzulösen.
Deutsche Standards sollen verteidigt werden
Aigner versprach, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die neuen EU-weiten Standards nicht hinter den deutschen Maßstäben zurückbleiben. "Ich bin mir mit dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich einig darüber, dass wir uns konstruktiv in der EU einbringen wollen, ohne die deutschen Vorsätze zu verraten."
Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der geplanten EU-Novelle wurden auch bei dieser Veranstaltung laut. Bitkom-Präsident Dieter Kempf sagte, er begrüße zwar die Chance einer einheitlichen datenschutzrechtlichen Situation in Europa. Allerdings halte er wenig von der angedachten Übertragbarkeit von persönlichen Daten, wenn man zum Beispiel seinen Web-2.0-Dienst wechsle. Auch sei es wenig verbraucherfreundlich, wenn es für jeden Schritt im Internet das Einwilligungsprinzip verpflichtend würde, der User also jeder Aktion aktiv zustimmen müsse.
Mobile Kommunikation auch in Büros
Insgesamt, so unterstrich Kempf, sei es für die Unternehmen der IT-Branche überlebenswichtig, Vertrauen zu den Verbrauchern aufzubauen. Einer neuen Bitkom-Studie zufolge habe sich das Sicherheitsgefühl der Internetnutzer in den letzten Jahren nicht verbessert. Anderseits lese auch nur jeder Dritte derzeit eine Datenschutzerklärung auf dem Handy. "Das liegt daran, dass bei diesen Texten die Rechtssicherheit für das jeweilige Unternehmen als wichtiger eingeschätzt wird als der Verbraucherschutz." Hier müsse über moderne Formen wie ein Q&A nachgedacht werden.
Auch Wieland Holfelder von Google Deutschland betonte, dass moderne Unternehmen ohne Datenschutz und Transparenz nicht mehr funktionierten. Zusammen mit den anderen Mega-Trends "Soziale Interaktion" und "Cloud Computing" sei mobile Kommunikation schließlich nicht nur ein Anwendungsfeld in der privaten, sondern auch in der geschäftlichen Kommunikation. Ein Tabloid-Computer sei nur halb so teuer wie ein klassischer Desktop-Rechner in Büros, sagte Google-Vertreter Holfelder.
Den wirtschaftlichen Aspekt von mobiler Datensicherheit hatte auch schon Bundesministerin Aigner betont. Sie erhoffe sich Einsparungen im Volumen von 2,3 Milliarden Euro durch die neuen EU-Regelungen und wünsche sich, dass auch die Mitarbeiter ihrer Ministeriums eines Tages sicher über Mobil-Kommunikation arbeiten könnten.
Ein Erwachsenen-Thema
Eigentlich richtet sich der "Safer Internet Day" an Kinder und Jugendliche, um diese über die Gefahren im Internet aufzuklären. Der diesjährige Tag hat allerdings auch gezeigt, wie sehr dieses Thema längst zu einem Erwachsenen-Thema geworden ist. Leider sind dabei auf der Konferenz der Bundesministerin für Verbraucherschutz ein paar drängende Fragen auf der Strecke geblieben, wie zum Beispiel die neue Timeline-Funktion bei Facebook oder das umstrittene Handelsabkommen Acta.
Autor: Kay-Alexander Scholz
Redakteur: Bernd Gräßler