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Scheinbare Stabilität

Britta Kleymann12. Oktober 2008

Vor dem Hintergrund der Kaukasus-Krise scheint Tschetschenien in Vergessenheit geraten zu sein. Nun wird vorzeitig ein neues Parlament gewählt. Eine Überraschung ist nicht zu erwarten.

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Flaggen mit Porträts des Präsidenten Kadyrow (Quelle: AP)
Flaggen mit Porträts des Präsidenten KadyrowBild: AP

Auf den ersten Blick sieht tatsächlich alles nach einer gewissen Stabilität in Tschetschenien aus: Der Wiederaufbau läuft, die regelmäßigen Meldungen über Zusammenstöße mit russischen Truppen und Anschläge sind weniger geworden, auch der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, bescheinigt Fortschritte.

Aber andere Meldungen machen stutzig: Da beträgt die Wahlbeteiligung beim Verfassungsreferendum im vergangenen Dezember angeblich 99 Prozent. Ein prominenter Gegner des tschetschenischen Präsidenten wird in Moskau auf offener Straße erschossen. Und eine bekannte Einkaufsstraße in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wird umbenannt in Putin-Prospekt - zu Ehren des Mannes, der heute russischer Ministerpräsident ist und unter dessen Befehl 1999 der zweite Krieg in Tschetschenien begann.

Russland kein Feind mehr

Putin und das ferne Moskau sind schon lange kein Feindbild mehr in Tschetschenien - zumindest nicht, seit der pro-russische Präsident Ramsan Kadyrow im Amt ist. Er betont immer wieder, wie viel das tschetschenische Volk Russland im Allgemeinen und dem ehemaligen Präsidenten Putin im Speziellen zu verdanken hat.

Solange Kadyrow Präsident ist, erwartet niemand einen politischen Kurswechsel in Tschetschenien. Auch nicht bei den am 12. Oktober stattfindenden Wahlen. Schon heute hält die Putin-Partei "Einiges Russland" fast 60 Prozent der Sitze im tschetschenischen Parlament. Kaum jemand rechnet damit, dass sich etwas an dieser Mehrheit ändern könnte - im Gegenteil.

Kleine Reformen

Ramsan Kadyrow (Quelle: AP)
Ramsan Kadyrow - der alte und wahrscheinlich neue PräsidentBild: AP

Neben "Einiges Russland" - der Partei, die auch im gesamtrussischen Parlament, der Duma, die absolute Mehrheit hat - treten noch sechs weitere Parteien an, denen allerdings niemand große Chancen einräumt. Neu ist, dass die Abgeordneten ausschließlich nach Parteilisten gewählt werden. Die Zahl der Kammern wird von zwei auf eine reduziert, statt bisher 61 Abgeordnete wird es nur noch 41 geben.

Die vorzeitigen Parlamentswahlen in Tschetschenien waren notwendig geworden, weil sich das bestehende Parlament im Juni dieses Jahres selbst aufgelöst hatte. Die letzten Wahlen in Tschetschenien fanden 2005 statt - sie wurden damals von Menschenrechtlern und Beobachtern als "Farce" bezeichnet.

Wie schon 2005 werden auch diese Wahlen von zahlreichen Sicherheitskräften geschützt. Internationale Beobachter von Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder Europarat werden nicht vor Ort sein.

Für Moskau bedeutet die Wahl in Tschetschenien offiziell nichts Besonderes: Außer in der Kaukasus-Republik wird am Wochenende in vier weiteren russischen Regionen gewählt.