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Schengen-Pläne stoßen auf Kritik

21. April 2012

Ernst gemeinter Vorschlag oder billiges Wahlkampfmanöver? Der Vorstoß des Bundesinnenministers und seines französischen Amtskollegen für eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum ruft Widerstand hervor.

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Polizisten kontrollieren einen Wagen an der deutsch-österreichischen Grenze (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Als prominentester Kritiker hat sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) zu Wort gemeldet. Er spricht sich klar gegen eine Beschränkung des freien Reiseverkehrs in der Europäischen Union aus. "Für die merkwürdigen Vorstellungen über nationale Grenzkontrollen wird es weder im EU-Rat noch im EU-Parlament eine Mehrheit geben", sagte Schulz der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe).

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Kollege Claude Guéant hatten in einem Brief an die dänische EU-Ratspräsidentschaft verlangt, dass Grenzkontrollen im Schengen-Raum künftig als "Ultima ratio" für 30 Tage befristet zugelassen werden, wenn ein anderer Schengen-Staat seine Außengrenzen nicht ausreichend gegen illegale Einwanderung schützt.

"Offensichtlich handelt es sich um ein Wahlkampfmanöver zugunsten von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy", meinte Schulz. Allerdings könne "das Gemeinschaftsrecht der Union" nicht durch eine "bilaterale Ankündigung zweier Innenminister" ausgehebelt werden.

Verzweiflungstat Dänemarks

Es gebe derzeit ein Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Schengen-Abkommens, erläuterte der SPD-Politiker weiter. Doch weder die deutsche noch die französische Seite hätten dabei Vorschläge in Richtung Grenzkontrollen eingebracht. Im Gegenteil: Dänemarks konservative Regierung habe 2011 vor den Wahlen "die Verzweiflungstat begangen, die nationalen Grenzen zu kontrollieren". Deutschland habe diesen Vorstoß für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum damals strikt abgelehnt.

Freie Fahrt vor dem Ende?

Zwar sei illegale Einwanderung, insbesondere durch Schlepperbanden, ein Problem für die EU, räumte Schulz ein. Aber man müsse diese Einwanderungsproblematik lösen, bevor sie auf dem Kontinent angekommen sei, sagte er.

Wunsch nach Festung Europa

Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) warnte seinen Kabinettskollegen Friedrich davor, sich "vor die französische Wahlkampflokomotive" spannen zu lassen. "Der freie Personen- und Warenverkehr ist eine der größten europäischen Errungenschaften, die es zu bewahren gilt", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die Forderung nach Wiedereinführung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum als "rechtspopulistische Rhetorik". Es handele sich um Wahlkampfhilfe für den Freund von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Nicolas Sarkozy, sagte sie dem "Hamburger Abendblatt" (Samstagausgabe). Auf Kosten der Flüchtlinge solle die aussichtslose Lage des französischen Präsidenten bei den Wahlen an diesem Sonntag verbessert werden.

"Merkozy zeigen in der Flüchtlingspolitik ihr hässliches Gesicht", meinte Roth. Der "Wunsch nach einer Festung Europa" zeige, dass ihnen das "Schicksal der Flüchtlinge herzlich egal ist".

Zweifel an Wirksamkeit

Ablehnung kommt auch von der Gewerkschaft der Polizei. Die Forderung der beiden Minister würde den Sinn des EU-Vertrags "in seinen Grundfesten" aushebeln, sagte Gewerkschaftschef Bernhard Witthaut dem "Hamburger Abendblatt". Er wies zudem darauf hin, dass nach dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens ein großer Teil der 10.000 Grenzbeamten an anderen Stellen eingesetzt worden sei. "Das lässt sich nicht so einfach rückgängig machen, wenn man dafür gerade einen Anlass sieht."
 
Witthaut bezweifelte zudem die Wirksamkeit der vorgeschlagenen befristeten Grenzkontrollen. "Menschenhändler, illegale Einwanderer und Schleuser warten einfach, bis die 30 Tage Kontrollen um sind", glaubt der Gewerkschaftschef.

gri/nis (dapd, dpa, afp)