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Schlechte Aussichten für WTO-Konferenz

Karl Zawadzky13. Dezember 2005

Bei der Konferenz in Hongkong geht es wohl nur noch darum, ein totales Scheitern der weiteren Liberalisierung des Welthandels zu verhindern. 2006 könnte dann bei der WTO in Genf weiter verhandelt werden.

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Proteste gegen den WTO-Gipfel in HongkongBild: AP

Hoch gepokert wird bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) immer. Schließlich ist der internationale Handel keine wohltätige Veranstaltung, sondern nach dem Prinzip des Eigennutzes, bestenfalls des beiderseitigen Vorteils organisiert. Außerdem geht es um viel Geld, um Arbeitsplätze und um wirtschaftliche Macht.

Zuckerrübenernte
Streit um Rohstoffe wie ZuckerrübenBild: dpa - Bildarchiv

Doch noch nie waren bei einer Ministerkonferenz der 148 Mitgliedsländer die Positionen so festgefahren wie zu Beginn des Treffens in Hongkong (13.-18.12.2005). Dabei verlaufen die Fronten nicht nur zwischen den großen Gruppen - den Industriestaaten und den Entwicklungsländern -, sondern erschwerend kommt hinzu, dass sich auch innerhalb dieser Gruppen erhebliche Gräben aufgetan haben.

Erst Textilien, dann Zucker

Zum Beispiel würden ärmste Entwicklungsländer zu den Verlierern einer Öffnung des europäischen Agrarmarktes zählen. Denn sie haben bislang schon gänzlich freien Zugang zum europäischen Markt und profitieren von den hohen Garantiepreisen der EU. Sie haben beim Auslaufen des Welttextilabkommens erlebt, dass ihnen innerhalb kürzester Zeit erhebliche Marktanteile von China abgenommen wurden. Wird nun der europäische Zuckermarkt geöffnet, wird in der Hauptsache Brasilien davon profitieren, die ärmsten Länder werden gemeinsam mit den europäischen Zuckerrübenbauern die Verlierer sein.

Bauer bei der Arbeit in Äthiopien
Ein äthiopischer Bauer auf dem FeldBild: AP

Bei anderen landwirtschaftlichen Produkten würden die USA, Australien, Kanada, Argentinien und Neuseeland vom Abbau der europäischen Agrarmarktordnung wesentlich stärker begünstigt werden als die Entwicklungsländer. Aber auch die EU ist sich keineswegs einig. Frankreich und einige der neuen EU-Staaten stemmen sich gegen die Verringerung der europäischen Agrarsubventionen, während andere EU-Länder einen weiteren Rückgang der Landwirtschaft hinnehmen würden, wenn sie dafür leichter Industriewaren und Dienstleistungen exportieren könnten.

300 Milliarden US-Dollar weniger Einkommen

Vor diesem Hintergrund ist ein Scheitern der WTO-Konferenz wahrscheinlicher als ein Erfolg. Der Preis des Scheiterns wäre allerdings hoch, denn er bedeutet den Verzicht auf eine Steigerung des weltweiten Einkommens um 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr, wie die Weltbank für den Fall einer vollständigen Liberalisierung des grenzüberschreitenden Handels errechnet hat. Etwa 45 Prozent davon kämen den Entwicklungsländern zugute. Das Problem besteht darin, dass die Einkommen höchst ungleich verteilt sind und sich dies bei Einkommenszuwächsen nicht ändern würde. Die Verlierer haben kein Interesse daran, dass die reichen Länder sowie die Reichen in den armen Ländern noch reicher werden.

Versprechen von Doha

Ein Erfolg der gegenwärtigen Liberalisierungsrunde ist nur möglich, wenn alle Teilnehmer sich an das Versprechen von Doha erinnern, dass dies eine Entwicklungsrunde sein soll. Vor allem den armen Ländern soll die im November 2001 in der Hauptstadt des Emirats Katar begonnene Doha-Runde zu Gute kommen.

Europa und die USA müssen nachgeben

Afghanische Bauern im Morgengrauen
Afghanische Bauern im MorgengrauenBild: AP

Das bedeutet nicht nur überproportionale Vorteile für die Entwicklungsländer, sondern auch eine möglichst gerechte Verteilung des Zugewinns in diesen Ländern.

Voraussetzung dafür ist in der Tat, dass Europäer und Amerikaner von ihrem Agrarprotektionismus ablassen. Der EU-Kommission ist zu attestieren, dass sie dafür ein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt hat. Im Gegenzug erwarten die Industriestaaten eine Senkung der Zölle auf Industriegüter, eine Vereinfachung der Zollverfahren und eine Öffnung der internationalen Märkte für Dienstleistungen. Die WTO bietet für einen solchen Deal den Marktplatz, auf dem nicht Güter ausgetauscht, sondern in einem Geben und Nehmen Rahmenbedingungen für den Handel vereinfacht werden - und zwar zum möglichst allseitigen Vorteil.

Zwischenlösung gesucht

Dabei steht die WTO nach dem Scheitern der vorherigen Konferenzen in Seattle und Cancun unter zunehmendem Erfolgsdruck. Denn das Interesse der großen Teilnehmer am Welthandel würde an multilateralen Lösungen weiter abnehmen und die Vereinbarung von bilateralen Freihandelsabkommen zunehmen. Kennzeichnend für bilaterale Abkommen ist, dass der stärkere Partner davon am meisten profitiert, während bei multilateralen Vereinbarungen die Interessen auch der schwachen Länder berücksichtigt werden. Scheitern also die WTO-Verhandlungen in Hongkong, wären insbesondere die Entwicklungsländer die Verlierer. Gelingt es nur, das drohende Scheitern der Doha-Runde abzuwenden und im nächsten Jahr weiter zu verhandeln, wäre das schon ein Erfolg.